Wissenschaftsreise Düsseldorfer Studenten erforschen Plastik im Mittelmeer

Düsseldorf · Bio-Studenten der Düsseldorfer Uni und Schüler haben gemeinsam auf der Insel Elba Müll gesammelt, dokumentiert, gewogen. Und einen persönlichen Blickwinkel auf das globale Problem gewonnen.

Das junge Forscherteam auf Elba: Schüler des Düsseldorfer Schloss-Gymnasiums, Studenten der Heinrich-Heine-Uni und Sven Gould (r.) mit seinem Sohn.

Foto: Sven Gould

Das Beispiel des 24-jährigen Niederländers Boyan Slat, der mit dem Großprojekt „The Ocean Cleanup“ gerade Furore und vielleicht die Weltmeere sauber macht, zeigt: Es sind die jungen Bewohner des Planeten, die über dessen Wohl und Weh entscheiden. Das dachte sich auch der Düsseldorfer Forscher Sven Gould von der Heinrich-Heine-Uni, als er im vergangenen Jahr auf Elba war und schockiert von all dem Plastikmüll am Strand und im Wasser. Er organisierte jetzt eine ungewöhnliche Forschungsreise: Mit Studierenden und Schülern eines Gymnasiums sammelte er neun Tage lang auf der italienischen Insel systematisch Plastik. Und zwar jede Menge.

Das Geld für die Elba-Exkursion kam aus einem Fördertopf der Bürgeruniversität: Die Heine-Uni sucht gezielt den Austausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Deshalb begleiteten fünf Schüler des Düsseldorfer Schloss-Gymnasiums, darunter Goulds zehnjähriger Sohn, den Forscher und seine drei Studenten. „Der Kontakt von Schülern und Hochschullandschaft ist sonst dünn“, sagt der Uni-Dozent, der am Institut für Molekulare Evolution sonst ganz andere Schwerpunkte hat. Als Ausgangspunkt mieteten sie sich auf Elba im Forschungsinstitut „Hydra“ ein, um Arbeitsräume und Equipment zu haben. Von dort aus wanderte, schnorchelte oder kraxelte das neunköpfige Team los – von den Stränden bis auf den Monte Capanne, den höchsten Punkt der Insel. Selbst dort fanden sie Müll. „Wir haben Plastik auf jedem Quadratmeter von Elba gefunden“, bilanziert Gould.

An den Stränden der Insel Elba, aber auch im Inland und an einem Fluss dokumentierten die jungen Forscher den Müll.

Foto: Sven Gould

Im Schnitt ein Kilo Plastik pro Quadratkilometer gefunden

Der Biologe und seine jungen Wissenschaftler interessierten sich speziell dafür, woher welcher Plastikmüll ins Meer gelangt. Deshalb bewegten sie sich im Inland, an einem kleinen Fluss und direkt an der Küste. Sie steckten genau vermessene Bereiche ab, um so später den Müll-Durchschnitt im Verhältnis zur Fläche berechnen zu können. Sie trockneten ihre Fundstücke sogar, um nicht das Gewicht des Wassers mitzuwiegen. 0,6 bis zwei Gramm pro Quadratmeter – im Schnitt ein Kilo pro Quadratkilometer – fanden sie.

„Taucherbrillen, Schnuller – wir haben alles gefunden“, zählt Biologie-Studentin Sibylle Kanngießer (24) auf. Da die Bewohner Elbas ihre Wäscheleinen zum Fluss hin aufhängen, hätten sie dort besonders viele Wäscheklammern aus Plastik aus dem Wasser und Uferbereichen gezogen. Flussmündungen, so Sven Gould, gehören zu den Hauptzugängen des Plastiks ins Meer – auf Elba mussten er und seine Mitstreiter an dem Bach irgendwann abbrechen, weil sie keine Sammelbehälter mehr hatten.

studierende erforschen plastikmüll auf elba

Foto: Sven Gould

Müll im Meer ist zerrieben – bis auf Trinkhalme und Lolli-Stiele

Durch den Regen kommt der Müll aber auch von den Bergen. An einer beliebten Mountainbikerstrecke fand die Gruppe auffallend viele Verpackungen von Energiedrinks und -riegeln. Am Strand hingegen sammelten die Studenten und Schüler eher Stückwerk. „Das Meiste kommt wohl vom Festland. Alles, was man im Meer findet, ist zerrieben“, erklärt Gould. Mit zwei Ausnahmen: Trinkhalme und Lolli-Stiele. Wohl wegen ihrer Form blieben sie komplett. „Nach einer Stunde hatten wir hunderte Lolli-Stöckchen“, berichtet Gould – hochgerechnet mindestens einen pro Quadratmeter. Eine der Erkenntnisse, welche die jungen Forscher überrascht hat: Auch kleiner Müll hat in der Masse eine große Wirkung.

Hunderte Lolli-Stiele fand die Gruppe. Sie werden nicht zerrieben.

Foto: Sven Gould

Vor allem die Schüler haben parallel im Internet nachgeforscht und Hintergrundinformationen über das Müllproblem im Mittelmeer gesammelt. Die Besonderheit: Es ist fast komplett abgeschottet. „Plastik, das einmal im Mittelmeer ist, bleibt da in der Regel“, verdeutlicht Gould. Und Student Simon Stockhorst ergänzt: „Jedes Jahr nimmt der Plastikmüll im Mittelmeer um 40 Prozent zu.“ Gould befürchtet, dass es auch dort bald zusammenhängende Müllteppiche auf dem Wasser geben könnte. Und somit an Europas Urlaubsstränden. „Irgendwann wird man sein Handtuch auf Plastik ausbreiten.“

Der Düsseldorfer Forscher ist sicher, dass Plastikmüll in den Weltmeeren „ein genauso schlimmes Problem“ ist wie der Klimawandel. Deshalb ist es ihm wichtig, bei den jungen Menschen ein Bewusstsein zu schaffen. Die Gruppe selbst hätte auch alle Plastikabfälle gewogen, die sie in neun Tagen produzierte – über drei Kilo. „Für die Schüler war das ein Schock“, sagt Gould. Sie hätten sich zuvor wenig Gedanken über ihre Hinterlassenschaften gemacht. Dafür hat die Elbareise ihnen die Augen geöffnet – und nicht nur ihnen: „Ich konnte gestern gar nicht mehr durch meinen Stadtteil gehen, ohne Plastik überall zu sehen“, sagt Simon Stockhorst. „Es ist wichtig, dass man diesen Blick entwickelt. Denn es geht nicht nur um andere Länder“, erklärt der 28-Jährige. Jeder Deutsche, so Bio-Studentin Andrea Alexa (26) produziere am Tag ein halbes Kilo Plastikmüll – damit seien wir spitze in Europa. Mit Blick auf Visionäre wie den Meeresmüllsammler Boyan Slat hofft Sven Gould aber auch, dass einige seiner jungen Forscher mehr als persönliche Konsequenzen aus den Impulsen der Reise ziehen: „Die revolutionären Ideen in dem Bereich kommen von sehr jungen Leuten.“ So bizarr das sei: Plastikmüll und Mikroplastik schufen derzeit einen ganz neuen Arbeitsmarkt für die Biologen der Zukunft.