Brauchtumspflege Rücken- und Gegenwind für Röttges
Vorst/St.Tönis · Vereinsvertreter bestätigen Ärger um hohe Sicherheitsauflagen, andere betonen Distanz zum Antrag.
Sebastian Röttges erlebt momentan Rücken-, aber auch deutlichen Gegenwind. Der Vorster erfährt auf seinen im Ort öffentlich ausgelegten Antrag samt beigelegter Unterschriftenliste Pro und Contra.
Röttges kritisiert als Sprachrohr der neuen „Interessensgemeinschaft Brauchtumspflege Tönisvorst“ das Ordnungsamt der Verwaltung (WZ berichtete).
Anlass des Bürgerantrags ist ein Eintrag im vorliegenden Haushaltsentwurf. Es geht im Kern um eine Position im Fachbereich Sicherheit und Ordnung. Die IG beantragt, „die vorgesehene Stellenanhebung aus dem Haushaltsentwurf 2020 (...) für die Stelle Krisenmanagement von E 11 nach E12 (...) abzulehnen“.
In der Begründung des Antrags nach § 24 der Gemeindeordnung NRW listet Röttges im Namen der IG eine Vielzahl an Vorwürfen auf. Die Rede ist von „völlig übertriebenen und überzogenen Sicherheitskonzepten“ und damit verbundenen hohen Kosten für Vereine. Dadurch werde das „kulturelle Leben in der gesamten Stadt Tönisvorst“ negativ beeinflusst, behauptet Röttges. Die Facebookgruppe der IG, der zunächst ein halbes Dutzend Gleichgesinnte angehört, sei auf rund 60 angestiegen, so Röttges am Mittwoch auf Nachfrage.
Aber Röttges’ Antrag erzeugt auch Widerspruch. In einem Punkt der Begründung nimmt die Interessensgemeinschaft beispielsweise Bezug auf den Werbering St. Tönis, behauptet, der Stadtmitarbeiter sei mitverantwortlich für den Rücktritt des Werbering-Vorstandes aus St. Tönis und nimmt u.a. Bezug auf „völlig überzogene Sicherheitsanforderungen“. Der Verein „St. Tönis erleben“ (vormals Werbering) hat auf die Berichterstattung mit diesen Worten reagiert: „Da wir mit der Stadt auch weiterhin gut und eng zusammenarbeiten, distanzieren wir uns von Herrn Röttges Antrag und haben dies auch mit der Stadt so kommuniziert“, schreibt Melanie Barth-Langenecker im Namen des gesamten Vorstandsteams St. Tönis. Hinweis der Redaktion: Der Rücktritt des Werbering-Vorstands war schon Monate vor dem schließlich ausgefallenen Adventszauber 2018 angekündigt und die Nachfolge über eine Workshop-Reihe vorbereitet worden.
Regina Bormann, Vorsitzende von Vorst aktiv, hat kritische Diskussionen im Vorster Vereinskomitee miterlebt, weiß, dass sich Vorster Vereine „begrenzt und eingeschränkt fühlen“. Auflagen seien teilweise extrem hoch. Im Namen ihres Vereins „Vorst aktiv“ betont sie aber auch „den guten Draht“ zur Stadtverwaltung. Ihr Brückenschlag: „Gut, dass die Diskussion angestoßen wird.“
Peter Joppen, Ansprechpartner des Vorster Vereinskomitees, betont, dass es ein Sicherheitskonzept für Veranstaltungen geben müsse, aber „alle Eventualitäten kann man nicht abdecken“. Die Vorgaben seien teilweise extrem, er sagt sogar „exorbitant“. Vereine seien damit unzufrieden. „Es ist nicht alles in Butter“, sagt Joppen, der sich wünschte, man würde manchmal „Fünfe gerade sein lassen, aber das sind wohl nicht mehr die Zeiten“.
Das anspruchsvolle Sicherheitskonzept, sagt Joppen, werde außerdem auf die Kernzeiten von Veranstaltungen gelegt. Bei der Vorster Osterparty zum Beispiel auf die Zeit zwischen 21 und 2 Uhr. „Danach aber rücken alle ab, kein Verantwortlicher ist mehr da, keiner vom Ordnungsdienst.“ Da wünschte er sich eine Ausweitung bzw. Entzerrung der Einsatzzeiten. Um auch noch in den Stunden nach der Party im Ort Präsenz zu zeigen. 2018 seien von Heimkehrern Kanaldeckel rausgehoben worden, erzählt er.
Harry Golsteyn, Vorstandsmitglied des Reiterverein 1878 Vorst, kennt den Röttges-Antrag. Er will und wird ihn auch noch unterschreiben. Seine Begründung deckt sich mit Röttges: „In Tönisvorst werden die Sicherheitskonzepte arg überzogen. Das ist das vorherrschende Gefühl in Vorst.“ Früher, erzählt Golsteyn über die von seinem Verein organisierte Osterparty, hätte man sechs, sieben Mann an eingekaufter Security gehabt, heute „brauchen wir einen pro hundert Gäste“. Macht bei 1500, die in der Halle erlaubt wären, 15, die, so Golsteyn, „auch noch unterschiedliche Ausbildungsgrade haben müssen.“ Hinzu kämen sechs, sieben Leute für den Brandschutz und noch einmal so viele Kräfte des Roten Kreuzes. Für die Ehrenamtler zahle der Verein Aufwandsentschädigungen. Man habe mittlerweile die Zahl der Gäste auf 1200 beschränkt, um sich drei Security-Leute sparen zu können. Die Kosten für das Party-Sicherheitspaket beziffert Golsteyn mit an die 5000 Euro. Man sei in den vergangenen Jahren aber trotzdem mit einem Plus aus der Veranstaltung gegangen, sagt er auf Nachfrage.
Wenn er Gespräche mit der Stadt geführt habe, räumt Golsteyn ein, „dann haben wir auch die nötige Unterstüzung bekommen – wenn man die Auflagen der Stadt erfüllt. Aber es bleibt das Grundgefühl, dass die Veranstaltungen übermäßig geschützt werden.“
Vertreter der Freiwilligen Feuerwehr Tönisvorst, deren Mitglied Röttges im Löschzug Vorst ist, reagieren mit deutlicher Distanz auf den Antrag. In der Begründung der Interessensgemeinschaft war u.a. die Einrichtung einer Einsatzleitzentrale in der Feuerwache St. Tönis kritisiert und eine Rücktrittswelle in der Feuerwehr angeführt worden. Dafür, so Röttges und die IG, sei der Stelleninhaber im Ordnungsamt mitverantwortlich.
An Bürgermeister Goßen und die Vertreter des Stadtrats hat Hans-Gerd Wolters, Löschzugführer und stellvertreteder Leiter der Feuerwehr, jetzt ein Antwort-Schreiben veröffentlicht. Darin nimmt Wolters unter anderem Bezug auf den Röttges-Antrag zur „Stellenanpassung Krisenmanagement“. Dieser durch den „Kameraden Herrn Röttges“ gestellte Antrag erwecke den Eindruck, dass er „im Namen der Freiwilligen Feuerwehr Tönisvorst verfasst“ wurde. Weiter heißt es, dass dieser „nicht im Sinne des Löschzugs St. Tönis verfasst“ wurde und die Kameraden/innen des Löschzugs St. Tönis „sich auf das Schärfste distanzieren“. Wolters geht in dem Schreiben auf einen zweiten Antrag ein, den Röttges als Privatperson bei der Verwaltung eingereicht hat und der noch nicht öffentlich ist. Das Schreiben hat Wolters „stellvertretend für den gesamten Löschzug“ unterzeichnet, an die WZ-Redaktion gesandt und unter anderem bei Facebook veröffentlicht.
Gegenüber der WZ hat Bürgermeister Thomas Goßen seine Gesprächsbereitschaft mit den Kritik übenden Vereinsvertretern unterstrichen. Man werde zu einem Gespräch einladen. „Wir werden konkret und offensiv auf sie zugehen.“ Verabredet ist auch ein Gespräch der WZ mit Goßen und Vertretern seines Fachbereichs Ordnung und Sicherheit. Darin wird es um die Anforderungen an Sicherheitskonzepte gehen, wer auf welcher Grundlage was einfordert.