Wer positiv auf das Coronavirus getestet wird, muss in Quarantäne – doch was ist, wenn man Kinder hat? Was eine Infektion für Familien bedeutet

DÜSSELDORF. · Steckt sich ein Familienmitglied mit Corona an, ist das schlimm genug. Komplizierter kann die Situation werden, wenn es Mama, Papa, oder beide gleichzeitig erwischt und kleine Kinder mit im Haushalt leben.

Sind Eltern mit Corona infiziert, heißt es Abstand von anderen Familienmitgliedern halten. Das ist vor allem bei jüngeren Kindern gar nicht so einfach.

Foto: dpa-tmn/Christin Klose

Der Kinderarzt Jakob Maske kennt das Problem. „Wir haben häufig positive Eltern, deren Kinder negativ sind.“ Und was macht man dann? „Man könnte natürlich sagen, dass die Kinder das ja einfach durchmachen sollen, weil es ja kein Problem für sie sei – doch so einfach ist das nicht“, betont der Mediziner.

Denn Entzündungen aller Art sind auch ein möglicher Auslöser für bestimmte Krankheiten, zum Beispiel Typ-1-Diabetes. Genau wie andere Infektionen kann Corona das triggern. Dazu kommt, dass eine Covid-19-Erkrankung auch bei Kindern einen schweren Verlauf nehmen kann, wenngleich das sehr selten passiert. Dennoch seien das Gründe, warum man auch bei Kindern nicht einfach eine Ansteckung in Kauf nehmen sollte, erklärt der Kinderarzt.

Wann eine Isolation sinnvoll ist

Es macht also Sinn, sich im Fall einer Infektion wenn möglich zu isolieren, sofern die Kinder noch keine Symptome zeigen. Maske ist allerdings auch bewusst, dass das je nach Alter der Kinder einfacher oder schwieriger umzusetzen ist – je jünger sie sind, desto komplizierter wird es wahrscheinlich.

Wie soll man einem Zweijährigen erklären, dass man ihn gerade nicht knuddeln kann?

„Selbstisolation zu erklären, ist wahnsinnig individuell, und gerade bei kleinen Kindern schwer“, sagt Maske. Bei ihnen sei es sicher oft nicht zu verhindern, dass sie Kontakt aufnehmen wollen. „Das ist schon sehr eingreifend und für die Kinder nicht immer gut verständlich. Es gibt hier leider auch kein Geheimrezept – es hilft nur, viel und einfühlsam erklären“, sagt er.

Sich von kleinen Kindern in den gemeinsamen vier Wänden zu isolieren, das sei jedenfalls nicht sehr realistisch, glaubt Prof. Hubertus Adam. Er ist Chefarzt an der psychiatrischen Klinik für Kinder und Jugendliche in Eberswalde. „Kindern im Schulalter kann man natürlich besser erklären, was gerade los ist.“

Bei Mädchen und Jungen im Kita- oder Säuglingsalter erübrige sich das. Ob eine Isolation praktisch möglich ist, hängt natürlich auch von den Räumlichkeiten ab: „Vielleicht kommt auch eine andere Lokalität dafür infrage, zum Beispiel ein Gartenhaus oder eine andere Etage in einer Maisonette-Wohnung“, sagt Kinderarzt Maske.

Doch auch auf kleinerem Raum ist eine Trennung möglich – es geht ja nicht zwangsläufig um komplettes Kontaktvermeiden: „Man kann ja auch sagen, man isoliert den Elternteil in seinem Zimmer und der sollte eine FFP2-Maske tragen, wenn er etwa durch den Flur auf die Toilette geht oder mal Kontakt mit dem Kind hat“, schlägt der Mediziner vor.

Kinder nicht allein lassen

Und trotz allem: „Auch im Falle einer Corona-Infektion ist es wichtig, dass Kinder emotional gut versorgt sind und zum Beispiel von den Eltern ins Bett gebracht werden“, sagt Hubertus Adam. Es sei gefährlich, Kinder in solch einer beängstigenden Situation – meiner Mama oder meinem Papa geht es schlecht – allein zu lassen.

Ist es denn in Ordnung, das Kind kurz in den Arm zu nehmen?

Klar ist, dass das Risiko einer Ansteckung mit der Länge des Kontakts steigt. „Ein kurzer Kontakt ist nicht so gefährlich wie ein langer“, sagt Maske dazu. Zugleich gibt er zu bedenken: „Dennoch kann das Virus auch bei einem kurzen Drücker übertragen werden.“

Die grundsätzlichen Corona-Regeln sollten in so einer Situation besonders beherzigt werden. „Händewaschen und gutes Durchlüften ist neben Masketragen und Abstand auf jeden Fall sinnvoll“, sagt Maske. Es sei eine kurze schwere Zeit, die man da gemeinsam durchmache.

Das fittere Elternteil muss ran

Wie Eltern sich das in der Praxis aufteilten, hängt auch vom Gesundheitszustand der jeweiligen Person ab. Im Zweifel müsse der gesunde, oder – falls beide infiziert sind – fittere Elternteil die Sorgearbeit eben für eine gewisse Zeit auffangen, damit sich der andere auskurieren könne, sagt Adam. „Das ist in stabilen Familien in der Regel auch kein Problem, fünf oder sechs Tage lässt sich das mal überbrücken.“ Schwieriger sei das in sozial schwächeren Familien, in denen Kinder sich in so einer Situation vielleicht selbst überlassen sind.

Herausforderung für Alleinerziehende

Richtig kompliziert ist die Situation für Alleinerziehende. Sie können sich nicht isolieren – ihnen bleibt zum Schutz der Kinder nur, möglichst viel zu lüften, die engen Kontakte möglichst kurz zu halten und wann immer es geht, Maske zu tragen. Eventuell können Verwandte unterstützen, oder der getrennt lebende Partner. Auch durch die Krankenkasse oder das Jugendamt kann man Hilfe bekommen, wenn man sich krankheitsbedingt nicht so gut um seinen Nachwuchs kümmern kann.

„Wir empfehlen Alleinerziehenden, sich auch auf solche Situationen vorzubereiten und den Kindern kindgerecht erklären, was in einem solchen Fall passiert“, empfahl die Sozialpädagogin und Geschäftsführerin des Berliner Landesverbandes alleinerziehender Mütter und Väter, Claudia Chmel, im Dezember im Portal „rbb24.de“.

Es gehe darum, den Kindern zu sagen, dass es Lösungen gibt und sie in einem solchen Fall nicht allein gelassen werden. Alleinerziehende könnten vorab auch festlegen, wer Regelungen für das Kind treffen und wer als bekannte Bezugsperson ansprechbar bleiben könnte, erklärt Chmel. „Das können auch die Eltern von Spielkameraden sein.“

Voraussetzung für die freie Wahl der Kinderbetreuung sei, dass kein Verfahren beim Jugendamt anhängig sei und außerdem keine weitere erziehungsberechtigte Person existiere, erläutert das Familienministerium Rheinland-Pfalz. Es sei ratsam, das schriflich festzulegen – für den Fall, dass man aufgrund der Erkrankung womöglich für einige Zeit nicht in der Lage ist, seinen Willen klar und deutlich zu äußern.

Ansteckung nicht zwangsläufig

Und was ist, wenn Eltern sich schuldig fühlen, weil sie ihre Kinder am Ende mit Corona anstecken? „Häufig treten deswegen Schuldgefühle auf, das ist auch verständlich, aber nicht angebracht“, findet Professor Adam. Niemand stecke einen anderen absichtlich an.

Es kann aber natürlich auch alles gut gehen, selbst wenn die Selbstisolation nicht wie gewünscht gelingt. „Wir haben auch Fälle von Familien, die nicht isoliert waren und wo trotz engen Kontaktes keine Ansteckung erfolgt“, sagt Kinderarzt Maske. „Aber darauf darf man nicht vertrauen.“