Wertedialog Rheinbad-Konflikt - Die Hasser und Verächter wollen gar nicht reden
Düsseldorf · Seit dem Frühjahr ist Minister Stamp auf Wertedialog-Tour. Das Beispiel Düsseldorf zeigt, wie mühselig das ist.
Wenn man die Netzdebatten über die dreimalige Räumung des Düsseldorfer Rheinbads als Stimmungs-Seismograf akzeptiert, dann hätte am Donnerstagabend in der Merkur Spiel-Arena die Hütte brennen müssen. Tat sie aber nicht. Bei der vierten Auflage der Wertedialog-Reihe mit NRW-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) und Staatssekretärin Serap Güler (CDU), so aktuell und konfliktträchtig wie kein Termin zuvor, ging es unerwartet sittlich und sachlich zu. Dazu blieb der vermutete Andrang aus. Am Ende waren es gerade mal an die 60 Teilnehmer, die unter den Augen einer Heerschar von Journalisten und Kamerateams dem Diskussionsangebot folgten.
Erklärungen dafür mag es viele geben. Vielleicht ist die öffentliche Empörungskarawane längst weitergezogen. Vielleicht war der Ort auf dem unwirtlich weitläufigen Arenagelände unglücklich gewählt. Vielleicht aber ist die maue Teilnahme auch ein weiterer kleiner Beleg dafür, dass die größten Scharfmacher der Netzdebatten an Austausch gar nicht mehr interessiert sind, sondern es sich lieber in ihren festgemauerten Weltsichten bequem machen. „Für die einen ist man ein Nazi, für die anderen ein linksgrünversiffter Gutmensch“, beschreibt Stamp auch eigene Erfahrungen im Netz.
Ist seine Dialogidee damit gestorben, weil es gar nicht mehr gelingt, die Gegenspieler an einen Tisch zu bekommen? Das wäre tragisch. Denn das Konzept ist gut und mehr als ein politischer Marketingtrick. Es ist der Versuch, eine Politikerphrase glaubwürdig umzusetzen: die Phrase von der Notwendigkeit, „neu zuzuhören, ins Gespräch zu kommen“, mit der allenthalben auf die offenkundigen gesellschaftlichen Friktionen reagiert wird.
Schwimmmeister schildert Berufsalltag im Rheinbad
Dass in Düsseldorf der Zoff ausblieb, mag manche Medienerwartungen enttäuscht haben. Der Diskussionskultur hat es zweifelsohne gutgetan. Denn in der Bewertung waren sich längst nicht alle einig. Aber auch gegensätzliche Positionen wurden sachlich vorgetragen. Rheinbad-Schwimmmeister Wladimir Chetverik, in einem Fall selbst Augenzeuge der Konflikte, schilderte ruhig seinen Berufsalltag. Die Vergewaltigung der Mutter, Sätze wie „Ich töte dich“ oder „Ich zünde dich an“ gehören zu den Drohungen, die ihm dabei immer wieder begegnen.
Was davon hat mit Nationalitäten, Mentalitäten, Alter oder Geschlecht zu tun? Gab es sie wirklich, die marodierenden Banden jugendlicher Migranten? Und wie fühlen sich die alteingesessenen Stammgäste angesichts der atmosphärischen Veränderungen? Viel Unterschiedliches, was die Moderatorin Asli Sevindim, seit Juli neue Leiterin der Integrationsabteilung im Stamp-Ministerium, den Teilnehmern entlockte, blieb nebeneinander stehen und bewegte sich zwischen den bekannten Integrationspolen: der Forderung nach einem gemeinsamen Wertekanon, der für gesellschaftliches Leben unerlässlich sei – und der Klage über Stigmatisierung, Vor- und Pauschalurteile gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund.
Neu ist das nicht. Aber was ist die Alternative zum Dialog und zum immer neuen Versuch der Verständigung? Der vielleicht klügste Rat kam an diesem Abend vom Düsseldorfer Polizisten und Bundesverdienstkreuz-Träger Dirk Sauerborn. Er wünschte sich bei der Bewertung von Vorfällen „ein wenig mehr Gelassenheit“ und eine Abkehr vom „Sofortismus“: Nötig sei nicht das sofortige Posten, sondern zunächst eine „kritische Analyse, was wirklich passiert ist“. Zumindest an diesem Abend war das Konsens.