„Hab’ euch alle vermisst“ Finanzspritze für ambitionierte Filmemacher
Düsseldorf · Das achte Wim-Wenders-Stipendium stattet fünf junge Filmemacher mit Fördermitteln von insgesamt 97.000 Euro aus.
Beschwingt geht Wim Wenders zum Rednerpult. „Ist es nicht schön, persönlich anwesend sein zu dürfen, in echt?“, fragt er in die Runde: „Ich find’s großartig, hab’ euch alle vermisst. Die virtuellen Ereignisse kommen mir vor wie Schnee von gestern, der schnell weggeschmolzen ist.“ Der Regisseur und seine Frau Donata waren zur Verleihung des achten Wim-Wenders-Stipendiums 2021 in Düsseldorf. Vier der fünf Preisträger wurden im Weltkunstzimmer für ihre Projekte ausgezeichnet, zusammen erhielten sie 97 000 Euro. „Wir überbrücken damit das schwarze Loch, das sich bei jungen Filmemachern zwischen Traum und Realität auftut“, sagt Wenders: „Bis zur Umsetzung eines Projektes braucht es Zeit und Geld, um diese Durststrecke durchzustehen.“
Seit 2014 vergaben die in Düsseldorf ansässige Wim-Wenders-Stiftung und die Film- und Medienstiftung NRW 36 Stipendien mit einer Gesamtfördersumme von knapp 800 000 Euro. Die Jury ist besetzt mit dem Vorsitzenden Wim Wenders, Mirko Derpmann, Kreativdirektor Scholz & Friends Agenda, und Petra Müller, Geschäftsführerin der Medienstiftung. „Mit dem Fördergeld bekommen die Filmemacher Freiraum für die Verwirklichung eigener Ideen“, bestätigt Müller, „die Beteiligung des Landes ist eine gute Investition.“ Entscheidend für die Vergabe ist der Stand eines Filmvorhabens. 2021 wurden 36 Anträge eingereicht. Müller: „Eine schöne, aber keine leichte Aufgabe für die Jury. Am Ende haben wir einvernehmlich entschieden. Jetzt können die Preisträger ihre Projekte zu feministischen und gesellschaftspolitisch relevanten Themen über ein Jahr weiterentwickeln.“
Wim Wenders lobte die Zusammenarbeit mit der Film- und Medienstiftung NRW und dankte den Jurymitgliedern für die aufbauende Arbeit, die kühne Entdeckungsreise und die schöne Auseinandersetzung mit den Stoffen. „Ich bin froh und stolz, dass wir mit der Wim-Wenders-Stiftung richtig gute Lotsen geworden sind“, sagt er: „Das Stipendium ist inzwischen eine Art Gütesiegel.“
Bei der Feierstunde gab es Trailer von sechs geförderten Projekten zu sehen, die ihren Weg ins Kino gefunden haben. Danach stellte Moderatorin Ute Soldierer die diesjährigen Preisträger vor. Über Video wurde von einem Flughafen Henrika Kull auf dem Weg nach New York zugeschaltet. Ihr mit 12 000 Euro dotiertes Projekt „Central Station“ schildert eine besondere Begegnung in einem Cyberpunk-Weltraumbahnhof, die Geschichte einer unmöglichen Sci-Fi-Liebe.
Jan Riesenbeck erhält 15 000 Euro für „Mein Name ist Hase“, eine Tragikomödie über den Wegbereiter von Fake News. „Viktor Hase ist ein fiktiver Unternehmer, der Opfer seiner eigenen Technologie wird“, berichtet der Autor mit Filmstudium an der Kunsthochschule Kassel. Sylvia Borges (25 000 Euro) legte mit „Schülerinnen-Report“ einen feministischen Gegenentwurf zu den „Schulmädchen-Reporten“ der 70er-Jahre vor. „Ich bediene keine Männerfantasien“, betont sie. Sie habe spannende Frauen für das Projekt gefunden, darunter eine Sexarbeiterin und eine Transgenderfrau. Ausgangspunkt für die Gespräche war die Aufforderung: „Erzähl mir von der Landschaft deiner Kindheit.“ Zum Film soll eine Dokumentation entstehen, bei der die Beteiligten einander kennenlernen.
In „Ich bin dein Licht“ (20 000 Euro) hält Filmemacher und Medienkünstler Quimu Casalprim „die Höhen und Tiefen eines Lebensmöbels“ fest. Die exzellent vorbereitete Moderatorin hatte es nicht leicht, dem Absolventen der Kunsthochschule Köln konkrete Informationen zu entlocken. Sein Zeus ist ein Gegenstand, aber einer, der in seiner Einsamkeit die Quelle für Selbstliebe entdeckt.
Für die Hauptrolle sucht Casalprim einen Darsteller mit hohem Körperbewusstsein, „ein Tänzer würde passen“. Anschaulich berichtet Lea Schlude über die Entstehungsgeschichte von „Hazy Valley“ (25 000 Euro). Darin begibt sie sich auf die Spuren des 17-jährigen Joseph, eines angehenden Fußballprofis mit indigenen Wurzeln, der in den Ruhrpott kam.
Seine Heimat ist allerdings Los Angeles, wo Lea Schlude neben Berlin ihren zweiten Wohnsitz hat. Dort lernte sie Mitglieder des Stammes der Kihz Nation kennen und war beeindruckt „von dem tiefen Wissen, wie nachhaltig man dort mit der Umwelt umgeht, selbst in der Großstadt“. Joseph werde sich allmählich der Verdrängung der indigenen Geschichte von L.A. bewusst. Bei diesem Prozess wird die Regisseurin ihn begleiten.