Umgang mit Missbrauchsfällen Woelki entbindet Weihbischof und Offizial nach Gutachten von Ämtern
Update | Köln · Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki zieht erste personelle Konsequenzen aus dem Gutachten zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im Erzbistum Köln. Er entbindet umgehend nach der Vorstellung der Ergebnisse zwei Geistliche von ihren Ämtern.
Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hat erste personelle Konsequenzen aus dem Gutachten zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in seinem Erzbistum gezogen. Woelki entband unmittelbar nach der Vorstellung seinen Weihbischof Dominikus Schwaderlapp und den Leiter des Erzbischöflichen Gerichts, Offizial Günter Assenmacher, wegen Pflichtverletzungen mit sofortiger Wirkung vorläufig von ihren Ämtern. Woelki sprach von "Vertuschung" in seinem Bistum.
Woelki wollte eigentlich erst am kommenden Dienstag Konsequenzen aus dem Gutachten des Strafrechtlers Björn Gercke ziehen. Während Schwaderlapp in acht Fällen konkrete Pflichtverletzungen begangen haben soll, soll Assenmacher in zwei Fällen eine unzutreffende Rechtsauskunft abgegeben haben. Woelki selbst wurde in dem Gutachten entlastet.
Woelki sagte, in Köln hätten sich "höchste Verantwortungsträger", darunter mit den Kardinälen Joachim Meisner und Joseph Höffner seine beiden Vorgänger, schuldig gemacht. "Sie haben nicht sanktioniert, sondern verzögert oder den Schutz der Betroffenen nicht beachtet." Es spreche Bände, dass Laien in Köln bei Missbrauchsvorwürfen immer schnell und konsequent bestraft worden seien, Priester aber nicht - "das berührt mich und beschämt mich auch zutiefst".
Woelki ist im Gutachten zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im größten deutschen Bistum entlastet worden. Es seien keine Pflichtverletzungen bei Woelki feststellbar gewesen, sagte der Strafrechtler Björn Gercke am Donnerstag bei der Vorstellung seines Gutachtens. Gercke sagte, zu derselben Einschätzung sei auch das von Woelki unter Verschluss gehaltene Münchner Gutachten gekommen, ebenso der Vatikan.
In ihrer Untersuchung erhoben die Gutachter aber schwere Vorwürfe gegen den Hamburger Erzbischof Stefan Heße, der früher in Köln tätig und lange Personalverantwortlicher war. Bei Heße hätten sich aus den Akten insgesamt elf Pflichtverletzungen ergeben. Davon seien sieben Pflichtverletzungen nicht ordnungsgemäß bearbeitete Missbrauchsfälle gewesen.
Auch der Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp, der 2004 Generalvikar in Köln wurde, steht mit auf der Liste der Beschuldigten. Der 53-Jährige soll sich acht Pflichtverletzungen schuldig gemacht haben. Zudem wird Schwaderlapps Vorgänger als Generalvikar, der ehemalige Dompropst Norbert Feldhoff, in dem Gutachten beschuldigt - dem emeritierten Feldhoff werden 13 Pflichtverletzungen vorgeworfen.
Ob und welche Konsequenzen das Gutachten hat, ist noch offen. Kardinal Woelki will das Gutachten in den kommenden Tagen mit den kirchlichen Gremien in Köln diskutieren und am Dienstag Konsequenzen benennen. Er hatte angekündigt, mögliche Verantwortliche vorläufig zu beurlauben und auch für sich selbst bei der Feststellung von Fehlverhalten Konsequenzen angekündigt. Woelki stand seit Wochen massiv in der Kritik, ihm wurde Vertuschung vorgeworfen. Er selbst bestritt bisher alle Vorwürfe.
Gercke und seine Mitgutachter sollten den Umgang des Erzbistums Köln mit Missbrauchsfällen im Zeitraum 1975 bis 2018 untersuchen, dies erfolgte auf Aktengrundlage. Insgesamt stellten die Gutachter 75 Pflichtverletzungen fest, die von acht lebenden oder verstorbenen Verantwortlichen begangen worden seien.
Die mit Abstand schwersten Vorwürfe machten die Gutachter dem 2017 verstorbenen Kölner Kardinal Joachim Meisner. Diesem seien 24 Pflichtverletzungen und damit fast ein Drittel aller Fälle vorzuwerfen. Auch dem 1987 verstorbenen Kardinal Joseph Höffner seien Pflichtverletzungen vorzuwerfen, befanden die Gutachter.
Gercke sagte, auf Grundlage der Aktenprüfung hätten sich 202 Beschuldigte ergeben und 314 Opfer sexuellen Missbrauchs. Von den mutmaßlichen Tätern seien 63 Prozent Kleriker gewesen - das heißt, 127 Priester machten sich im größten deutschen Bistum des Missbrauchs schuldig. Mehr als die Hälfte der Opfer seien Kinder im Alter unter 14 Jahren gewesen, ein mit 57 Prozent größerer Anteil der Opfer seien Jungen gewesen.