Wuppertaler Geschichte 100 Jahre VHS: Bildung als Schule der Demokratie
Wuppertal · 100 Jahre Volkshochschule(n) im Wuppertal.
Die kurze Episode einer Demokratie in Deutschland, die den tragischen Stempel der Weimarer Republik trug, dauerte gerade einmal dreizehn Jahre, bevor sie schließlich an ihren eigenen Widersprüchen, Überforderungen, inneren Feinden und an dem Umstand scheiterte, dass ihr am Ende die Demokraten fehlten. Zu den großen sozialpolitischen und kulturellen Errungenschaften der jungen Republik zählte im Juni 1919 das mit großem Pathos verkündete Versprechen einer „Bildung für alle“. In einer wahren Gründungswelle entstanden überall im Lande sogenannte „Volkshochschulen“ als „Schulen der Demokratie“. Bildung sollte künftig nicht mehr bloßes Standesprivileg sondern der Schlüssel zu neuen Lebenschancen in einer demokratisch verfassten Republik sein. Im Wuppertal entstanden gleich vier solcher populären Bildungseinrichtungen: in Elberfeld, Ronsdorf, Cronenberg und in Vohwinkel. In Barmen und Elberfeld schrieben sie zu Weimarer Zeiten denn auch Erfolgsgeschichte, machten kostengünstige Kursangebote für 30 Pf. und erreichten damit viele Menschen, vor allem Arbeiter und Angestellte. Für Arbeitslose waren die VHS-Kurse kostenlos. Sollte der Traum einer „Bildung für alle“, die die Klassenschranken überschreiten würde, jetzt Wirklichkeit werden? Es kam anders.
Die neue Elberfelder Volkshochschule startete am 4. Juni 1919 mit 10 Kursen, die jeweils als mehrteilige Vortragsreihe konzipiert waren, inhaltlich aber nur wenig thematische Bindung zu demokratisch politischen Bildungsinhalten erkennen ließen. Es dominierten naturwissenschaftliche Themen. Immerhin referierten aber die Gewerkschaftssekretäre Sauerbrey und Thomas an drei Abenden zum Thema „Deutsche Gewerkschaften“. SPD und USPD äußerten schnell das Interesse der Arbeiterparteien an dieser neuen Institution. Die folgende Debatte um die Ausrichtung der Volkshochschule drehte sich nicht zuletzt um die Kontroverse „Räte-System oder Parlamentarismus“. Die von der USPD proklamierte „sozialistische Volkshochschule“ jedoch blieb pures Wunschdenken.
Am Ende der 20er Jahre wurden die VHSen mit Gründung der Stadt Wuppertal 1929 zusammengefasst und gerieten schon wenig später in den Sog der dramatischen Wirtschaftskrise und unter enormen Einsparungsdruck. Ökonomische Zwänge verbanden sich in der Spätphase der Republik mit einem latenten Trend zur ideologischen Selbstgleichschaltung. VHS-Programme waren jetzt gleichsam die Seismographen des nationalistischen Zeitgeistes in der Krise und spiegelten das geistige Klima eines aufkommenden Faschismus. Unter ihrem Dach ergriffen finstere Kollaborateure der Nazis vorausschauend die Initiative und bereiteten ihre spätere Karriere vor. Mit der Machtübertragung wurde diese Bildungseinrichtung mit den großen demokratischen Zielen dann auch recht zügig „abgewickelt“, das heißt, im NS-Sinne im „Bildungswerk der Deutschen Arbeitsfront“ gleichgeschaltet.
Die VHS präsentiert zu ihrem 100. Geburtstag eine Ausstellung mit Bildern und Dokumenten aus ihrer Frühgeschichte 1919 bis 1933. Der historische Zeitraum ist dabei mit Bedacht gewählt, zeigt er doch, wie schnell eine Institution, die sich scheinbar in der Erfolgsspur befand, von ihren Feinden überrannt werden konnte. Ihre Geschichte erinnert damit an den Umstand, dass Demokratie keine Selbstverständlichkeit ist, sondern stets aufs Neue erkämpft werden muss. Ein Zukunftsauftrag für alle und insbesondere für die Volkshochschulen selbst.