#ReporterTausch2019 Stadt der kurzen Wege und 1000 Gesichter

Elberfeld. · Welchen Eindruck Wuppertal auf einen Gast-Reporter aus dem Spreewald macht.

Natürlich durfte für Tauschreporter Daniel Preikschat (r.) beim Rundgang durch Wuppertal mit Martin Bang, Geschäftsführer von Wuppertal Marketing, auch ein Besuch im Briller Viertel nicht fehlen.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Martin Bang steht auf dem Dach des Elisenturms und ist stolz, dem Gast das zeigen zu können. Der Ausblick sucht tatsächlich seinesgleichen und scheint mir zu belegen: Wuppertal ist wirklich die grünste Großstadt Deutschlands. Im Vordergrund gepflegter Park, dahinter die Stadt, im Hintergrund ganz viel Wald. Bang hat selbst mal in der Nähe gewohnt mit seiner Familie, erzählt er. Er schwärmt von den kurzen Wegen, die man zu Fuß überallhin hatte. Ob in den Park, zum Einkaufen, zur Schule, zum Restaurant, zum Arzt. Von den kurzen Wegen profitiere aber jeder Wuppertaler. Egal, wo er wohnt.

Martin Bang leitet die Wuppertal Marketing GmbH. Er und sein Team vermarkten die Stadt touristisch. Dazu gehört auch, wie ich merke, sich viel Zeit für Journalisten zu nehmen. Der gebürtige Wuppertaler fährt den Reporter aus dem Spreewald die „polyzentrische Bandstadt“ mit den bevölkerungsreichen Stadtteilen Elberfeld und Barmen einmal rauf und runter. Es ist fast so, wie einen Film anzuschauen, so viele – teils ziemlich schräge – Eindrücke drängeln sich. Ein Sparkassen-Hochhaus, das von oben nach unten gebaut wurde, ein Tunnel, in dem die Fahrbahnen übereinander liegen. Bang zeigt mir ein Hochhaus in Hanglage mit schrägem Aufzug. Im Stadtteil Sonnborn befahren wir eine Straße, die plötzlich endet. Über die Mauer vor uns fährt die Schwebebahn einfach weiter, über das dahinter liegende Sonnborner Autobahnkreuz. Für Bang eine verkehrsplanerische Sünde, die man heute nicht mehr begehen würde.

Mir fällt auf: In der einstigen Textilindustriestadt in Tallage und mit rasanter Einwohnerzahlentwicklung im 19. Jahrhundert liegt alles nah beieinander. Historische Prachtbauten und gemauerte Fabrikgebäude stehen gleich neben schmucklosen Zweckbauten aus den Fünfziger oder Sechziger Jahren, die teils abstoßend hässlich sind. Nah beieinander lagen in Wuppertal aber auch Arm und Reich. Einer der mehr als 140 Rundwege im Angebot der Wuppertal Marketing GmbH heißt deshalb auch so, sagt Martin Bang. Die Grenze markiere die Briller Straße, die er gerade entlang fährt.

BDZV-Aktion #ReporterTausch2019

Foto: BDZV

Im Briller Villenviertel darf er den nächsten Superlativ verkünden: „Das größte zusammenhängende Villenviertel in Deutschland.“ Die Unternehmer-Villen sind groß wie Gutshäuser, halbe Schlösser. Davor stehen die entsprechenden Autos, auch ein Rolls-Royce ist dabei. Lieber wohnen würde ich allerdings in einem der Arbeiterviertel Wuppertals. Bang fährt uns durchs Ölbergviertel, das die Anmutung von Berlin-Kreuzberg hat. Geschlossene Altbau-Reihen, viele kleine Läden und Kneipen, ein lebendiger Kiez.

Martin Bang erzählt nicht nur gern viel, er hört auch neugierig zu, was der Gast denkt. „Ist ja cool“, sagt er, als er vom Schwimmen mit Humboldt-Pinguinen erfährt, das die Spreewaldstadt Lübbenau zu bieten hat. Er merkt auch auf, als er hört, dass in der Lausitz die größte von Menschenhand geschaffene Seenlandschaft Europas entsteht. Er war schon mal in Cottbus, erzählt er. Schon eine Weile her. Aber den Branitzer Park des Fürsten Pückler hat er noch gut in Erinnerung.

Eine mitunter etwas schroffe Art der Hilfsbereitschaft

Manches wird auch mir nach einer Woche Wuppertal gut in Erinnerung bleiben. Die Aufführung eines Tanztheaterstücks von Pina Bausch etwa. Zehn Tänzer(innen) und zwei Schauspieler(innen) bespielen dreieinhalb Stunden die Bühne, oft alle gleichzeitig. Ein ästhetisches Spektakel wird geboten, aber auch eine nachdenklich machende Geschichte erzählt. Das Macbeth-Drama von Shakespeare, in dieser Bearbeitung von Pina Bausch, sagt viel aus über Verhaltensgestörtheit und Beziehungslosigkeit in unserer Gesellschaft. Zumindest denke ich mir das so auf der Heimfahrt abends ins Hotel im Schwebebahn-Express. Der Schwebebahn-Express ist leider nur ein Bus, nicht die berühmte Schwebebahn selbst, die einen so schnell überallhin bringt und so viel sehen lässt. Dass sie gerade nicht fährt, ist die einzige Enttäuschung, die ich in Wuppertal erlebe.

Ach ja, die Leute in Wuppertal. Die bunt gemischte Bevölkerung gefällt mir. Man hört neben Deutsch auch diverse andere Sprachen in der Fußgängerzone. Wegbeschreibungen bekomme ich problemlos, wen ich auch anspreche. Eine ältere Dame und ihr Mann beschreiben mir den Weg zum Rex-Kino nicht nur, sie bringen mich gleich hin. Unterwegs erzählt die Frau noch, dass Wuppertal provinziell sei – wenn man aus Düsseldorf kommt. In der Tourist-Information der Wuppertal Marketing GmbH merke ich, dass es nicht gut ankommt, nach einem Flyer für die Glückauf-Trasse zu fragen. „Wir sind nicht das Ruhrgebiet“, wird mir erklärt, dann aber doch eine Karte kostenlos mitgegeben. Die mitunter schroffe Art der Hilfsbereitschaft kenne ich aus der Lausitz. Für die Wuppertaler spricht auch, dass sie einzigartige Projekte realisieren. Die Junior Uni, an der Kinder und Jugendliche wissenschaftliche Grundlagen vermittelt bekommen und die von Unternehmern komplett finanziert wird, kann man nur gut finden. Fachkräftemangel wird nicht beklagt, sondern etwas dagegen getan.

Zweifellos gäbe es in Wuppertal noch viel Schönes und Interessantes zu entdecken und zu unternehmen. Auf der Nordbahntrasse über das Eisenbahn-Viadukt radeln, im Luisenviertel herumschlendern, noch mal ins Von-der-Heydt-Museum gehen und – natürlich – Schwebebahn fahren. Eine Woche Wuppertal ist nicht viel. Ein WZ-Kollege aber gibt mir einen guten Tipp: „Wiederkommen.“