90 Jahre Wuppertal Als Briefmarken die Massen nach Wuppertal lockten
1951, 1976 und 2001 war die Stadt Ort der Nationalen Postwertzeichen-Ausstellung. Heutzutage haben es die Sammler schwer. Der Nachwuchs fehlt.
Proppenvoll war es in jenem April 1976 in der Wuppertaler Stadthalle. Eine Ausstellung lockte damals mehrere Tage lang zehntausende Besucher in die Stadt. Und zu sehen gab es vor allem eins: kleine, gezackte Sammlerstücke. Die Nationale Postwertzeichen-Ausstellung, kurz Naposta, machte Station in Wuppertal. Sogar eine „eigene“ Schwebebahn-Briefmarke legte die Deutsche Post damals auf, zum 75. Geburtstag des Wahrzeichens. Aus Werbe- und Marketingsicht sei so eine Naposta ein Glücksfall für die Stadt gewesen, blickt Ernst-Andreas Ziegler, damals Leiter des Presse- und Werbeamtes zurück.
Die Idee, die Ausstellung zum zweiten Mal nach 1951 nach Wuppertal zu holen, habe Herbert Grunau, der Leiter der Medienstelle gehabt. „Philatelie war sein Leben.“ Aber auch Ziegler und seine Kollegen hätten schnell erkannt, welches Potenzial sich bietet. Die Zielgruppe in Deutschland seien „wahrscheinlich Millionen gewesen“, so Ziegler. Gefühlt habe jeder zweite junge Mensch damals zumindest mal mit dem Briefmarkensammeln angefangen. In Zeiten, wo die weltweite Vernetzung per Internet noch kein Thema war und die kleinen Marken mit schönen Motiven lockten und ferne Länder ein bisschen näher brachten. „Die Faszination fürs Sammeln war damals eine ganz andere als heute“, ist sich Ziegler sicher. Er selbst habe damit eher weniger am Hut gehabt, habe aber mit seinen Verwaltungskollegen Grunau, der dann Ausstellungsleiter wurde, nach Kräften unterstützt, ebenso wie hochrangige Politiker wie Hans-Dietrich Genscher und Johannes Rau. Der spätere Bundespräsident soll, so heißt es, nicht nur leidenschaftlicher Skatspieler, sondern auch Sammler gewesen sein.
„Wir haben die Chance gesehen, Wuppertal bundesweit bekannt zu machen. Und das hat geklappt.“ Sogar aus den Nachbarländern seien ganze Busladungen von Besuchern angekommen. Hotels und Gastronomie hätten profitiert. „Die Naposta war kein Paukenschlag, aber ein schon unüberhörbarer Ging“, fasst Ziegler die Bedeutung zusammen. Es müssen glorreiche Zeiten für das Briefmarkensammeln gewesen sein, wenn heute ehemalige Besucher erzählen.
1976 war auch Hans-Jürgen Dobiat dabei, heute Vorsitzender der Philatelistischen Arbeitsgemeinschaft in Wuppertal. „Damals nur als Besucher“, erinnert er sich. Neben der Stadthalle war auch das damals kurz vor der Eröffnung und mittlerweile seit einigen Jahren schon wieder leerstehende Postgebäude am Kleeblatt für die Ausstellung genutzt worden. Nach der Naposta habe sich Dobiat entschieden, auch in die Verbandsarbeit einzusteigen. 2001 gehörte er dann mit zu den Organisatoren der dritten Naposta in Wuppertal. Wieder gab es eine Briefmarke — natürlich zum nun 100. Geburtstag der Schwebebahn — und wieder war die Stadthalle gut gefüllt. Weil der Bundesverband der Philatelisten vorab moniert hatte, dass der Platz möglicherweise nicht reichen würde, weiteten die Organisatoren diesmal die Fläche auf die Turnhalle des Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasiums aus. „Das waren noch richtige Großveranstaltungen damals“, sagt Dobiat. Der schleichende Niedergang des einstigen Volkshobbys Briefmarkensammeln sei Anfang der 2000er Jahre aber schon zu bemerken gewesen, erklärt Ziegler.
Die Naposta gibt es immer noch. 2020 wird sie in Essen im Rahmen der alljährlichen Briefmarkenmesse, einer der letzten großen in Deutschland, stattfinden. Doch die Zahl der Sammler sinkt, der Nachwuchsmangel ist groß. In den 1990er Jahren, so hieß es vor kurzem in einem Artikel der Deutschen Presse-Agentur, habe der Verein Deutsche Philatelisten-Jugend noch um die 15 000 Mitglieder gehabt. Aktuell sind es weniger als ein Drittel. Die Zeiten, in denen auf den Schulhöfen getauscht wurde, sind längst passé. Das Durchschnittsalter der Sammler dürfte bei weit jenseits der 60 liegen. Da hilft es auch nicht, dass diejenigen, die sich immer noch für das Hobby begeistern, hervorheben, wie spannend es auch heutzutage noch wäre. Eine weitere Zahl verdeutlicht das Dilemma. 2001, zur Zeit der letzten Naposta in Wuppertal, verschickte die Deutsche Post nach eigener Auskunft noch 9,3 Milliarden Briefe. 2018 waren es nur noch 7,7 Milliarden. Und der überwiegende Teil ist gar nicht mehr mit Briefmarken beklebt. Kein Wunder in Zeiten, in denen man sich das Porto auch bequem übers Smartphone ordern kann.
Auch Dobiat zweifelt daran, dass die Naposta noch einmal nach Wuppertal zurückkehrt. „Der Aufwand ist einfach zu groß.“ 2026, wenn es nach dem Rhythmus passen würde, seien viele von denen, die 2001 dabei waren, „schon verstorben oder gehen auf die 100 zu“.