90 Jahre Wuppertal Als die Dönberger zu Wuppertalern wurden

Dönberg · Der Stadtteil ist Wuppertals jüngster Gebietszuwachs. Erst 1975 wurde der Schritt vollzogen.

  Der Dönberg auf einer alten Postkarte. Lange hatten Dönberger mit Wuppertal nicht viel am Hut.

Der Dönberg auf einer alten Postkarte. Lange hatten Dönberger mit Wuppertal nicht viel am Hut.

Foto: Archiv Kurt Lembeck

. Am Anfang war es ein Gerücht. „Aber dann wurde es immer deutlicher“, erinnern sich Kurt Lembeck und Hans-Joachim Lüppken. Wuppertal wollte „ihren“ Dönberg eingemeinden. Beziehungsweise schlug das Land das vor. Damals, Anfang der 1970er Jahre, machte der Vorschlag im eher beschaulichen Dörfchen mit seinen gut 3000 Einwohnern die Runde. Vollzogen wurde der Schritt erst ein paar Jahre später. „Durch die nordrhein-westfälische Gebietsreform kam Neviges am 1. Januar 1975 zur Stadt Velbert, während Dönberg gegen den Willen vieler Bewohner nach Wuppertal umgegliedert wurde.“ So heißt es bei Wikpedia. Ein Satz, fast lapidar. „Es gab große Proteste“, erklärt Lembeck, damals Vorsitzender des Dönberger Bürgervereins. „Wir wollten bei Neviges bleiben.“ Der 87-Jährige zeigt alte Zeitungsausschnitte, die den Widerstand von damals dokumentieren.

„Was ist Neviges ohne Dönberg?“, wurde da zum Beispiel auf Transparenten gefragt. Im Sommer 1974, als der Nevigeser Rat im Schloss Hardenberg tagte. „Stadtdirektor und Ratsvertreter mussten sich einen Weg bahnen durch die Menge“, hat der Schreiber der WZ notiert. Wann immer das Thema auf der Tagesordnung irgendeines Gremiums stand, „ging es heiß her“, weiß Lembeck noch. Der Bürgerverein hatte damals eine Umfrage gemacht, das Ergebnis fiel eindeutig „pro Neviges“ aus. So wurde die Idee der Großgemeinde Neviges - Langenberg - Dönberg geboren. Eine, die sich am Ende nicht durchsetzen konnte, sagt Lembeck, der einräumt, dass man schon damals nicht wusste, ob der Protest eine Chance auf Erfolg hat.

Doch man kann den Dönbergern nicht vorwerfen, sie hätten es nicht zumindest versucht. Der Bürgervereinsvorsitzende wandte sich schon 1971 an die Politik. Die Antwortbriefe hat er sorgsam aufbewahrt. So schrieb zum Beispiel der damalige Landrat Willi Müser, dass er von den Umfrageergebnissen „mit Interesse Kenntnis genommen“ habe. „Es hat mich außerdem angenehm berührt, daß die Bürger so regen Anteil an der zukünftigen Entwicklung ihres Stadtteils bekundet haben.“

Aus dem Büro des Innenministers hieß es, dass er es „zu gegebener Zeit in meine Überlegungen für die Erstellung eines Neugliederungsvorschlages des dortigen Raums einbeziehen werde“. Die CDU hob hervor, dass die klaren Ergebnisse bei einer „späteren Beratung des Problemkreises mit Sicherheit von der Landtagsfraktion berücksichtigt werden“. Und der Vorsitzende der FDP-Fraktion bekräftigte, dass er selbst kein Freund von Eingemeindungen sei. Letztendlich alles aber nur warme Worte, entschieden wurde trotzdem gegen den Willen der Dönberger.

Was hatten die denn eigentlich gegen Wuppertal? Das war halt der große Nachbar, erinnern sich die beiden Bürgervereins-Mitglieder, mit dem man eigentlich nicht viel zu tun hatte — und auch gar nicht mit zu tun haben wollte. „Das war schon für viele Ausland.“ Na gut, wirft Lüppken, heute Vorsitzender des Bürgervereins ein, eine Wuppertaler Telefonnummer hatten einige Dönberger auch damals schon. „Aber das war es dann auch schon.“ Ach nein, fällt Lüppken dann auch noch ein, Strom und Wasser gab es auch über Wuppertal. „Abgerechnet wurde allerdings über Neviges.“ Die Grenzlage hatte doch Auswirkungen. Gemeindemäßig zum Beispiel gehört der evangelische Teil des Dönbergs heute noch zum Kirchenkreis Niederberg. Und auch die Schützen würden sich in Richtung Niederberg orientieren und nicht nach Wuppertal, erzählen die beiden alten Dönberger.

Gerne geben sie Anekdoten aus jener Zeit zum besten. Etwa über das Keglerheim. Die mittlerweile abgerissene Gaststätte befand sich auf Wuppertaler Gebiet — und wurde von einigen Dönbergern eher gemieden. Sie lag direkt hinter der Grenze, die leicht zu erkennen war. „Bis dahin war die Straße in gutem Zustand, dahinter, in Wuppertal, wurde es immer schlechter“, sagt Lüppken schmunzelnd. Kneipen hatte der Dönberg damals aber selbst noch genug, anders als heute.

Irgendwann musste sich dann aber auch der Bürgerverein damit abfinden: Die Eingemeindung lässt sich nicht mehr abwenden. In eigens einberufenen Versammlungen wurden die Mitglieder „aufs Leben als Großstadtbüger vorbereitet“, wie es in einem WZ-Artikel von Ende 1974 heißt. Dabei wurde alles erklärt, was sich ändern würde — oder eben nicht. Positiv aufgenommen wurde zum Beispiel, dass die Pläne, auf Dönberger Gebiet 16-geschossige Hochhäuser zu errichten, von der Wuppertaler Verwaltung schnell ad acta gelegt wurden. Abfinden mussten sich die Neu-Wuppertal-Dönberger aber damit, keine eigene Polizeiwache mehr zu haben. Zumindest ein Stück Selbstständigkeit blieb erhalten: Am Dönberg wurde — zumindest die ersten Jahre — der Müll wie gewohnt in Säcken abgefahren. „Die Dönberger wollten keine Tonnen wegen des Platzes“, sagt Lembeck. Dass Wuppertal da weiterhin mitmachte, „war ein kleines Zugeständnis“.

Während sich Lüppken und Lembeck noch gut an die Protestzeiten erinnern können, sei es bei den jüngeren Bewohnern und vor allem den Zugezogenen gar kein Thema mehr. „Die meisten kommen ja aus Wuppertal. Dass der Dönberg mal zu Neviges gehörte, wissen die gar nicht.“ Und mittlerweile würde der Dönberger an sich auch sagen, „ich bin Wuppertaler“, erklärt Kurt Lembeck und lacht. „Wir haben uns akklimatisiert.“ Und Hans-Joachim Lüppken fügt an. „Dafür hatten wir Dönberger ja auch genug Zeit.“