90 Jahre Wuppertal Planetarium & Co.: Verlorene Schätze der Barmer Anlagen
Im Krieg wurden einige Sehenswürdigkeiten in der Parkanlage zerstört. Geblieben sind oft nur Erinnerungen.
Die Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg haben tiefe Wunden in die Stadt Wuppertal geschlagen. Mehrere tausend Menschen starben infolge der Bomben. Und auch das Bild der Stadt veränderte sich — viele Sehenswürdigkeiten gingen für immer verloren, geblieben sind nur Erinnerungen. Deutlich wird dies in den Barmer Anlagen. Die Parkanlage — die zweitgrößte in Deutschland in Privatbesitz — ist heute ein beliebtes Ausflugsziel, bietet vor allem Idylle und Natur. Doch vor Jahrzehnten hatte der Besitz des Barmer Verschönerungsvereins (BVV) noch ganz andere Höhepunkte zu bieten. Sogar ein Planetarium stand in den Anlagen, eins der ersten und größten weltweit. Im Auftragsbuch der Firma Carl Zeiss aus Jena stand Barmen, so ist im Archiv des BVV vermerkt, auf Platz 2.
Vorfreude herrschte aber nicht bei allen auf den neuen Hingucker, für den die Stadt 350 000 Euro ausgeben sollte. Bevor der letztendliche Standort oberhalb der heute ebenfalls nicht mehr existenten Barmer Stadthalle ausgeguckt worden war — dort liegt heute der Sitz des Wupperverbandes —, hatten die Planer eigentlich einen Bauplatz am unteren Anlagenzugang, an der Heinrich-Janssen-Straße im Auge. Bürgerproteste verhinderten dies allerdings — die Anwohner hatten um ihre Ruhe gefürchtet.
1943 wurde das Planetarium durch Bomben beschädigt
1926, also noch vor der Stadtgründung Wuppertals, wurde das Planetarium aber schließlich eröffnet, was sogar der Rundfunk übertrug. Barmens Oberbürgermeister Paul Hartmann, später auch erster OB der neugegründeten Stadt Wuppertal, sprach von dem Sternentheater als Anziehungspunkt für die ganze Stadt. Stadtbaurat Heinrich Köhler bezeichnete den Projektor als „Zauberlaterne von ganz verwickelter Art“, wie im Jubiläumsbuch zum 150. Geburtstag des BVV nachzulesen ist. Kurzum, das Planetarium war ein Wunderwerk der Feinmechanik und Optik. Ein Kuppelbau von imposanten Ausmaßen, 16 Meter hoch und 25 Meter im Durchmesser. Der Saal fasste 800 Besucher. Wobei aus heutiger Sicht wohl anzumerken ist, dass er etwas überproportioniert war. Und etwas hochgegriffen waren auch die prognostizierten Gästezahlen. Statt erwarteten 300 000 kamen in den 1930er Jahren kaum mehr als 20 000 pro Jahr. Dass sich Planetarien schwer taten, war allerdings in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation deutschlandweit kein wuppertal-spezifisches Problem.
Trotzdem: Der Betrieb lief — bis zum Bombenangriff am 30. Mai 1943. Ein Treffer beschädigte die Kuppel. Eigentlich nicht schwer, wie Zeitgenossen berichteten. Doch das Planetarium blieb fortan geschlossen und ungeschützt. Wind und Wetter vergrößerten die Schäden. Ein Wiederaufbau wurde zwar nach dem Krieg diskutiert, aber nie realisiert.
Im Gespräch erinnerten sich ältere WZ-Leser, wie sie als Kinder in der Bauruine, die mehr und mehr verfiel, gespielt hatten. Die technischen Geräte waren zu diesem Zeitpunkt längst geplündert worden. 1955 war dann endgültig Schluss: Das, was vom Planetarium noch übrig war, wurde abgerissen. Zuvor hatte der Kulturausschuss dafür Grünes Licht gegeben.
Über Jahrzehnte gab es gar keinen Hinweis auf die ehemalige Attraktion. Erst 1997 wurde eine Gedenktafel aufgestellt, gegenüber des heutigen Sitzes des Wupperverbandes (früher Standort der Barmer Ersatzkasse). Es gebe auch immer wieder noch Besucher der Anlagen, „die fragen, wo das Planetarium gestanden hat“, sagt Michaela Dereschewitz, Geschäftsführerin des BVV.
Als 2014 der BVV seinen 150. Geburtstag feierte, hatte der Wuppertaler Künstler Klaus Burandt ein Poster mit dem Titel „Die Barmer Anlagen, gestern und heute“ entworfen, das es auch heute noch beim Verein als Souvenir zu kaufen gibt. Darauf zu sehen sind außer den aktuellen Gebäuden wie Toelleturm & Co. eben auch die verlorenen Schätze der Parkanlage.
In der Stadthalle konnten 1800 Personen beköstigt werden
Noch älter als das Planetarium war zum Beispiel die Barmer Stadthalle. Eröffnet worden war sie 1896, eingeweiht aber erst im darauffolgenden Jahr. Vielleicht deshalb, weil es Ärger um die Finanzierung gab. Statt ursprünglich 350 000 wurden es am Ende 700 000. Dass Schätz- und Realpreise weit auseinander liegen, kam also auch schon vor mehr als 100 Jahren vor.
Dafür konnten 1800 Personen gleichzeitig beköstigt werden, hatten der Konzertsaal 770 und die Nebenräume 430 Quadratmeter Nutzfläche, wie im Archiv des BVV nachzulesen ist. „In den ersten zehn Jahren wurden 126 Abonnementskonzerte mit 250 000 Besuchern durchgeführt.“ In den 1930er Jahren fanden mehr und mehr Kundgebungen in der Stadthalle statt und zwar unterschiedlichster Art. Unter anderem war die Bekennende Kirche Veranstalter, die einen Rheinisch-Westfälischen Gemeindetag zum Abschluss der Reichssynode am 31. Mai 1934 dort durchführte. Tausende Menschen, so berichten die Chronisten, trafen sich in und vor der Halle. Auf der anderen Seite waren auch die Nationalsozialisten immer wieder zu Gast in der Stadthalle — deren Ende der von den Nazis entfesselte Zweite Weltkrieg bedeutete: Am 31. Mai 1943 legten die Bomben das Gebäude in Schutt und Asche.
Aus heutiger Sicht sei es natürlich schade, dass es die Sehenswürdigkeiten nicht mehr gebe, sagt Michaela Dereschewitz. „Die wären auch heute noch eine Attraktion“, ist sie sich sicher.