Literatur Auf Basis des Films „Brazil“ hat Wuppertaler Autor Jochen Thielmann ein Buch veröffentlicht

Wuppertal · Themen einer Dystopie, die aktueller sind denn je.

Jochen Thielmann hat der Film „Brazil“ nicht mehr losgelassen.

Foto: Andreas Fischer

Oft bleiben gerade die Filme im Gedächtnis, die es dem Zuschauer nicht leicht machen. Davon kann auch Jochen Thielmann erzählen, den Wuppertaler als Vorsitzenden des Fußballvereins „Breite Burschen Barmen“ kennen. Mitte der 80er-Jahre hat er Terry Gilliams „Brazil“ im Kino gesehen – ein Erlebnis, das ihn damals ratlos zurückließ. Kein Wunder: Die britische Science-Fiction-Komödie wirbelt die Realität einer totalitären Zukunftsgesellschaft und die Träume der Hauptfigur so lange durcheinander, bis der Unterschied kaum noch auszumachen ist.

Aus der Irritation ist im Laufe der Jahre Bewunderung geworden für ein cineastisches Meisterwerk, das für Thielmann immer wieder neue Entdeckungen bereithält. Wegen „Brazil“ ist er nun auch unter die Autoren gegangen: Im Band „We’re all in it together“ analysiert er den von Regisseur und Drehbuchschreibern entworfenen Staat, die wichtigsten Figuren sowie die Gesellschaft, die sie repräsentieren.

Dabei wollte der frischgebackene Sachbuchautor zunächst nur über einen im Film auftretenden Hollywood-Star schreiben: Zum Cast gehört Robert de Niro, der als unkonventioneller Handwerker in das Fadenkreuz der Behörden gerät. Im zweiten Anlauf wollte Thielmann einen „Brazil“-Artikel in einer inzwischen eingestellten Fachzeitschrift veröffentlichen. Schließlich nutzte er die Möglichkeiten des Print on Demand.

Dem Untertitel des Buchs kann der Leser bereits Thielmanns Fazit entnehmen: Knapp 40 Jahre nach der Uraufführung sei „Brazil“ aktueller denn je. Im Film zeichneten sich die Probleme der Gegenwart deutlich ab – vor allem der Abbau von Grundrechten aus Gründen der „inneren Sicherheit“, aber auch Spannungen zwischen Arm und Reich, das Artensterben und die Klimakatastrophe. Den Einstieg ins Thema erleichtern zahlreiche Abbildungen. Selbst wer den Film bisher verpasst hat, kann der Szenenanalyse gut folgen.

Ausführlich geht der Autor auf die satirischen und humoristischen Mittel ein, die Gilliam, Gründungsmitglied der Komikertruppe Monty Python, in die Darstellung einfließen lässt. Wie seine Bürger hat der scheinbar allmächtige Staatsapparat mit technischen Mängeln zu kämpfen: „Die Computer gleichen alten Schreibmaschinen mit viel zu kleinen Bildschirmen […], die fahrbaren Überwachungskameras gleichen den menschlichen Augen, scheinen jedoch kurzsichtig zu sein, so dass sie ganz nah an ihr Objekt heranfahren müssen.“

Thielmann, der hauptberuflich als Strafverteidiger arbeitet, arbeitet die Differenzen zu demokratischen Standards heraus. In der Dystopie à la „Brazil“ sei die Unschuldsvermutung sowie der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ längst vom Prinzip „Schuldig bei Verdacht“ abgelöst worden. „Der alltägliche staatliche Zugriff gegenüber Verdächtigen geschieht in einer Art und Weise, die an militärische Aktionen oder Sondereinsatzkommandos wie die GSG 9 erinnert“, heißt es an einer Stelle.

Auf Ähnlichkeiten mit dem „Krieg gegen den Terrorismus“, den die US-Regierung nach den Anschlägen des 11. Septembers ausrief, weist der Autor explizit hin und unterfüttert sie durch aktuelle Zitate und Quellen. Anders als in der Wirklichkeit haben die Terroristen im Film jedoch kein Gesicht. Dafür prägen ihre Taten eine Gesellschaft im Ausnahmezustand. Jochen Thielmanns Buch „We’re all in it together – Warum Terry Gilliams Brazil heute aktueller ist denn je“ hat 168 Seiten und ist im Buchhandel sowie als E-Book erhältlich.