Wuppertaler Geschichte Aufstand bis Himmelfahrt

Friedrich Engels auf den Barrikaden von Elberfeld.

Detlef Vonde ist Fachbereichsleiter an der VHS.

Foto: hammer/Anette Hammer/Freistil Fotografi

Aufgeheizte Stimmung in Elberfeld Anfang Mai 1849. Trotz der Warnungen des Oberbürgermeisters von Carnap vor der aufgeheizten Stimmung forderte der aufgeregte Kreissekretär und stellvertretende Landrat Melbeck am 7. Mai 1849 aus Düsseldorf Militär an und drehte damit heftig an der Eskalations-Schraube. Den Rest erledigten die Gerüchte: Fake News, die in der Geschichte von Revolutionen und Aufständen stets eine – bisweilen tragische – Rolle spielten. Von Mund zu Mund laufen in diesen Stunden die Nachrichten und Gerüchte über den bevorstehenden Militär-Einsatz. Und was das zu bedeuten hatte, weiß man spätestens seit den Nachrichten über die blutigen Ereignisse in Sach­sen. Der gewaltsame Einsatz von preußischem Militär gilt als ultima ratio des Obrigkeitsstaates, wenn es darum geht, soziale und politische Unruhen im Keim zu ersticken oder Nachahmer abzuschrecken. Gerüchte provozieren dann die ersten Übergriffe von jungen Leuten, zumeist Arbeiter und Handwerker, die auch den Elberfelder Oberbürgermeister treffen.

Daraufhin überstürzen sich am folgenden Tag die Ereignisse: im Westen der Stadt zieht mittags Militär aus Düsseldorf auf; wenige Stunden später trifft am Steinbecker Bahnhof mit dem Zug Verstärkung aus Köln ein; der persönlich anwesende kommissarische Regierungspräsident beordert die Truppen zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung in die Stadt. Die aufständische Bevölkerung verbarrikadiert die Innenstadt, empfängt die Soldaten auf dem Neu­markt mit einem Steinhagel und zwingt das Militär schließlich zum Rückzug. Das Haus des Oberbürgermeisters wird demoliert. Abends bleibt der Angriff des Militärs auf eine strategisch wichtige Barrikade stecken. Der Einsatz kostet schließlich vier Menschenleben, drei Arbeiter/Handwerker und das des Kommandanten, sowie zahlreiche, zum Teil schwer Verletzte. Nach dem erneuten Rückzug des Mili­tärs verlassen der Oberbürgermeister, der Kreissekretär, der Polizeikom­missar, einige Ratsmitglieder sowie etliche Elberfelder Honoratioren und Un­ternehmer samt ihren Familien fluchtartig die Stadt, die nunmehr in der Hand der Aufständischen ist. Etwa 2000 bis 3000 Freischärler strömen in die Stadt. Am 10. Mai verschaffen sich die meuternden Landwehrmänner mit dem Bankier Daniel von der Heydt dann eine prominente Geisel, während das Militär nach Düsseldorf abzieht, um den dortigen Aufstand blutig niederzuschlagen. Am gleichen Tag gründet sich ein „Revolutionärer Sicherheitsausschuss“, in den auch fünf Gemeinderatsmitglieder gewählt werden. Dieser (halblegitime) Ausschuss übernimmt jetzt die Funktionen des Stadtrates. Gleichzeitig stürmen Solinger Arbeiter das Gräfrather Zeughaus und bringen Waffen in die Stadt. Am folgenden Tag, dem 11. Mai – Friedrich Engels, der Redakteur der Neuen Rheinischen Zeitung, ist soeben aus Köln zu den Aufständischen gestoßen – weigert sich die lokale Bürgerwehr, ihre Waffen abzuliefern, unterwirft sich aber formell den Anordnungen des Sicherheitsausschusses. Die einzige Klarheit, die dort herrscht, ist die Unklarheit über Ziele und Strategien der Erhebung: für die Reichsverfassung, aber gegen einen republikanischen Umsturz? Und die folgenden Tage spitzen die Verwirrung der Lage zu. Während vereinzelte Kommandounternehmen zur weiteren Bewaffnung auf die Zeughäuser der Um­gebung glücken, schlägt ein Versuch, die Eisenbahnstrecke zu sabotieren auf Intervention der Barmer Bürgerwehr fehl.

Und Friedrich Engels? Am 14. Mai berät der Sicherheitsausschuss über den Abzug der Freischärler-Gruppen und beschließt die Ausweisung von Fried­rich Engels aus der Stadt. Der hatte sich zum letzten Male vor einem jahrzehntelangen Weg ins Exil für ein paar aufregende Tage in der alten Heimat aufgehalten und für die Durchsetzung einer demokratisch bürgerlichen Republik auf den Barrikaden gestanden, die er eigens miterbauen ließ und sorgsam auf Tauglichkeit inspizierte.

Jetzt wird er vom „revolutionären Regiment“ in gleichsam vorauseilendem Gehorsam gegenüber Obrigkeit und Militär aus der Stadt verwiesen. Es könne zu „Missverständnissen über den Charakter der gesamten Erhebung“ kommen, formuliert es der Sicherheitsausschuss etwas prosaisch verbrämt und macht damit deutlich, wofür die sogenannten „Revolutionäre“ nämlich nicht standen: Für eine „rote Republik“. Engels soll gehen. Gleichsam ausgebürgert von der bürgerlichen Revolution selbst. Und er geht. Am 17. Mai, dem Himmelfahrtstag, ist die revolutionäre Episode von Elberfeld dann beendet. Die Bürgerwehr übernimmt die Kontrolle der Lage, noch bevor Militär in die Stadt einrückt. Die „Revolution der Bürger“ wurde von eben diesen beendet.