Handwerk Ausbildung zur Schneiderin: Käthe Armbruster erfüllt sich in Wuppertal ihren Traum

Wuppertal · Die 28-Jährige hat bereits Brautkleider für Schwangere angefertigt und im Theater mitgearbeitet.

Schneidermeisterin Gela Erfkamp traut der Auszubildenden Käthe Armbruster viel zu.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Wer schon mit 14 Jahren erste Stücke selbst genäht, wer schon an Theatern gearbeitet, Brautkleider entworfen und genäht, wer nachhaltig individuelle Mode gestalten und anfertigen möchte, für den gibt es einen Weg: eine Ausbildung zur Schneiderin. Auch mit 28 Jahren kann man eine Lehrstelle finden, sich dahinter klemmen, dass der lang gehegte Traum in Erfüllung geht.

Käthe Armbruster ist die neue Auszubildende von Schneidermeisterin Gela Erfkamp, und beide sind glücklich, sich gefunden zu haben. Eine Auszubildende mit soliden Vorkenntnissen, das sei schon etwas Besonderes freut sich Erfkamp. Tipp-Geber für die freie Lehrstelle war Gela Erfkamps letzter Azubi Asad Mokhlis, der inzwischen seine Ausbildung erfolgreich absolviert hat und nun in Köln arbeitet. „Welche Zufälle es im Leben doch gibt“, amüsiert sich Käthe Armbruster, die eigentlich aus Südbaden kommt, aus familiären Gründen von Tübingen nach Wuppertal zog.

Ein hilfsbereiter Nachbar packte beim Umzug mit an, bei einer Tasse Kaffee erzählte Armbruster von ihrem Wunsch, eine Schneiderlehre zu machen. Der Nachbar hieß Asad Mokhlis und hatte ja gerade durch die bestandene Gesellenprüfung eine Lehrstelle freigemacht. Nach Rücksprache mit seiner Chefin durfte sich Käthe Armbruster vorstellen und hat am 1. August ihre Ausbildung als Damenschneiderin begonnen. Nach dem Abitur hatte Käthe Armbruster erst Umwelt- und Naturwissenschaften studiert aber schnell gemerkt, dass ihr Herz doch für die Gestaltung schlägt.

Schon in der Schule hatte sie Nähkurse belegt und an der Herstellung von Bühnenbilden mitgearbeitet. Dann klapperte sie die Theater der Region ab und bekam schließlich im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes die Möglichkeit, am Theater in Tübingen mitzuarbeiten. Hartnäckig verfolgte sie ihr Ziel weiter und bekam einen Studienplatz in Stuttgart. An der Akademie für bildende Künste schrieb sie sich in den Studiengang „Bühnen- und Kostümbild“ ein, absolvierte das Grundstudium erfolgreich. Kunstgeschichte, Schnitttechnik, Materialkunde, Stilkunde – der Stundenplan war umfangreich.

Was Käthe Armbruster aber fehlte, war die handwerkliche Komponente: „Später hätte ich genau das im Beruf an Schneiderinnen, also Handwerkerinnen, delegieren müssen, was ich selbst so gerne mache. Der theoretische Hintergrund ist natürlich für die Arbeit am Theater wichtig, aber ich wollte meine Gestaltungsideen gerne selbst nähen.“ Sie konnte zurück ans Theater Tübingen in die Requisite, aber dann kam Corona und der Job, den sie so gerne gemacht hatte, war weg.

Dabei hatte sie schon längst ihre Ideen von Nachhaltigkeit weiterentwickelt, die sie schon als Schülerin hatte: „Da hat man nicht viel Geld, und ich habe oft mit tollen Sachen vom Flohmarkt gearbeitet, habe Altes geändert, umgearbeitet, neue Stücke daraus gemacht.“ Was sie an diesem Recycling-Konzept begeistert, ist die Individualität, die die fertigen Stücke haben. „Das ist ja nichts von der Stange, was jeder hat. Außerdem haben die wenigsten Menschen ja 08/15-Maße, und ich habe große Freude daran, Menschen individuell mit schöner Kleidung zu begleiten, die die Persönlichkeit unterstreichen oder das Selbstwertgefühl erhöhen“, erläutert Käthe Armbruster ihre Motivation.

Besonders stolz ist sie auf zwei Brautkleider, die sie schon für Frauen gefertigt hat, die schwanger waren: „Ein Kleidungsstück für jemanden zu entwickeln ist eine sehr emotionale und intime Angelegenheit. Besonders in diesen Fällen, weil sich der Körper ja langsam laufend verändert. Der Mensch soll sich darin ja absolut wohlfühlen. Das machen zu dürfen, ist wie ein Privileg“, fasst sie ihre Achtung vor dem geliebten Handwerk zusammen.

Armbruster kann die Ausbildung auf zwei Jahre verkürzen

Jetzt sollen Leidenschaft und Vorwissen auf die Basis einer soliden, fachlichen Ausbildung zur Damenschneiderin gestellt werden. Ob sie dann den Sprung in die Selbstständigkeit macht, oder ob die andere Leidenschaft, das Theater, siegen wird, bleibt abzuwarten. Diese Entscheidung steht in zwei Jahren an, denn Käthe Armbruster darf aufgrund ihrer Vorkenntnisse und Studienleistungen die Ausbildung verkürzen.

Für Schneidermeisterin Gela Erfkamp hat die aktuelle Entwicklung – bei aller Freude über eine tolle Auszubildende – einen Wermutstropfen: Seit zwei Jahren steigt die Ausbildungsvergütung laufend, ist mittlerweile fast dreimal so hoch wie beim letzten Azubi. Zuschüsse für Ausbildungsbetriebe gibt es keine. „Ob ich mir nach Käthe noch einen Auszubildenden leisten kann, da bin ich mir nicht sicher. Viele kleine Handwerksbetriebe konnten in der Vergangenheit nur ausbilden, weil das noch bezahlbar war. Jetzt wird es vielen kaum mehr möglich sein, Lehrlinge zu nehmen.“