Notfall Autofahrer beschimpfen zwei Retter heftig
Zwei Passanten wollen eine kollabierte Frau in Cronenberg aus ihrem Auto befreien. Verständnis hat dafür niemand.
Wuppertal. Inan Coban kann es noch nicht so ganz fassen. Der 23-jährige Rettungssanitäter und seine Freundin kommen zufällig einer kollabierten Autofahrerin zu Hilfe — und dafür müssen sich beide wüste Beschimpfungen von anderen Fahrern gefallen lassen. Später macht der junge Mann sich auf Facebook Luft, die Freiwillige Feuerwehr Hahnerberg, die Coban seit zehn Jahren als Freiwilliger unterstützt, teilt seinen Bericht. Der Post wurde mittlerweile über 1300 Mal geteilt, Hunderte Kommentare stehen unter dem Schreiben.
Inan Coban fuhr am Samstag gegen halb fünf auf die Tankstelle an der Hahnerberger Straße gegenüber vom Hipkendahl. Seine Freundin begleitete ihn. Sie war auch diejenige, die das stehende Auto neben der Tankstelle auf dem Fahrstreifen, Fahrtrichtung Cronenberg, sah. „Es stand schon da, als wir als wir ankamen“, so Coban. „Ich dachte erst, da hätte jemand nicht mitbekommen, dass man in den Hipkendahl nicht mehr abbiegen darf.“
Coban begann, sein Auto zu betanken. Seine Freundin ging in der Zwischenzeit zu dem Auto, das sich immer noch keinen Zentimeter bewegt hatte. Sie bemerkte, dass aus dem Auspuff keine Abgase herauskamen und dass die Scheiben beschlagen waren. Hinter dem Auto standen zu dem Zeitpunkt fünf Autos, die den Gegenverkehr abwarteten, um das stehende Auto auf der zweispurigen Straße zu überholen.
„Als meine Freundin dort ankam, gingen sofort die Beschimpfungen los“, erzählt Coban. „Manche dachten wohl, das sei ihr stehendes Auto.“ Er ließ er die Zapfpistole in seinem Auto stecken und lief auf die Straße. In dem Auto saß eine junge Frau, keine 30 Jahre alt, sie war schweißnass, blau angelaufen, hatte einen Zitterkrampf, wie Coban vermutet. „Die Türen waren verschlossen. Die Scheiben waren schon so beschlagen, sie war kaum zu sehen. Sie muss schon eine Weile hier gestanden haben.“ Er wählte den Notruf und suchte nach etwas, womit er eine Scheibe einschlagen konnte.
In den zehn Minuten, die er bis zum Eintreffen des Notarztes mit seiner Freundin an dem Auto gestanden hat, will er 30 bis 40 Fahrzeuge gezählt haben, die ihnen den Mittelfinger gezeigt, sie heftig beschimpft haben oder mit quietschenden Reifen davongefahren sind. „Der Fahrer eines Autos ist ganz dicht aufgefahren und hat dauerhaft gehupt, anstatt zu überholen. Und das wäre möglich gewesen. Meine Freundin wurde dann noch als ’Schlampe’ bezeichnet.“ Mit allerlei Kraftausdrücken sollen die Fahrer ihren Ärger darüber zum Ausdruck gebracht haben, dass das hier kein Parkplatz sei, dass man den Karren zur Seite schieben solle, das ’Drecksauto’ verschwinden solle. „Nur einer hat gefragt, ob er helfen kann“, so Coban.
Coban versuchte, eine der hinteren Scheiben mit dem Ellbogen aufzubrechen, was nicht gelang. Er und seine Freundin hielten einen Linienbus an, um den Nothammer auszuleihen. Der Fahrer soll nur gesagt haben, dass die Hammer durch Drahtseile befestigt seien und er im Übrigen jetzt weiter müsse. Dann kam der Rettungsdienst und zerbrach eine Scheibe mit mehreren Hieben mit einem Brecheisen ein.
„Ich wünsche diesen Menschen, die uns übel angegangen sind, dass sie noch etwas mehr über Nachsicht und Rücksicht lernen“, so Coban. Andreas Steinhard, Sprecher der Berufsfeuerwehr: „Wir können keinen Trend zu mehr Pöbeleien anhand von Zahlen nachweisen. Mittlerweile machen viele auch erst mal Bilder und Aufnahmen von Unfällen, anstatt zu helfen. Das ist auch eine unschöne Entwicklung, für die es keine Zahlen gibt.“