Wuppertal Bahnsperrung: „Das ist schon echt grenzwertig“
Bahnsperrung im Berufsverkehr: Pendler steigen auf den Bus um. Die Fahrzeit nach Düsseldorf am Montagmorgen: eine Stunde.
Wuppertal. Was passiert, wenn eine Großstadt von jetzt auf gleich vom Bahnverkehr abgeschnitten wird? So erstaunlich es klingen mag: auf den ersten Blick nicht viel. Bahnpendler sind nämlich auch in Wuppertal extrem anpassungsfähige Verkehrsteilnehmer, die sich am Montag, dem ersten Tag der Bahnsperrung unter Berufsverkehr-Bedingungen weitgehend klaglos in Geduld üben.
Wie gravierend die Auswirkungen für jeden einzelnen sind, zeigt sich erst im Gespräch mit den Menschen, die um kurz vor sieben Uhr in Scharen vor der Elberfelder Stadthalle am Johannisberg stehen: Dort startet der Schienenersatzverkehr (SEV) in Richtung Düsseldorf, Solingen, Velbert. Er soll während der kommenden zwei Ferienwochen die Züge ersetzen, denn für die Arbeiten am neuen Elektronischen Stellwerk hat die Bahn Wuppertal komplett von der Schiene genommen — es fährt kein Zug nach nirgendwo.
Einer der Busse ist abfahrbereit und so voll, dass ein halbes Dutzend Pendler draußen stehen bleibt. Am Freitagabend, so ist von der Polizei hören, sei am Sonnborner Ufer ein Bus wegen Überfüllung buchstäblich aus dem Verkehr gezogen worden. So schlimm ist es an diesem Morgen nicht, doch Pendler Thomas Peter setzt dennoch lieber auf den nächsten Wagen. „Was ich hier sehe, stimmt mich noch nicht so recht fröhlich“, sagt er. „Ich hatte vermutet, dass mindestens drei bis vier Busse gleichzeitig losfahren.“ Wie auf Bestellung fährt eine Minute später ein leerer Gelenkbus vor. Peter steigt ein, noch wirkt er gelassen. „Aber ob ich mir das jetzt zwei Wochen jeden Tag antun will, muss ich mir noch überlegen.“
Dennis Marbaise wartet indes auf den Bus in Richtung Solingen, wo er den Zug nach Köln nehmen will. Sein täglicher Weg zur Arbeit ist seit gestern deutlich länger — „statt etwas über eine Stunde brauche ich nun zwei Stunden pro Strecke“. Zum Glück biete ihm seine Gleitzeit eine gewisse Flexibilität, doch der Zeitverlust sei schon ärgerlich.
Der nächste SEV-Bus fährt vor, Nummer drei innerhalb weniger Minuten an diesem Morgen. Der Fahrer fragt in die Runde: „Weiß jemand, wie ich zum Sonnborner Ufer komme?“ Eine Passagierin will ihn zur zweiten Einstiegshaltestelle auf dem Weg lotsen.
Gegen 7.25 Uhr füllt sich erneut ein Gelenkbus in Richtung Düsseldorfer Hauptbahnhof, der freundliche Fahrer ist hörbar aus dem Ruhrgebiet. Als eine junge Frau wissen will, ob der Bus in Gerresheim hält, fragt er gut gelaunt: „Wo ist das denn?“
Wie auch die Fahrzeuge vor ihm verlässt der Bus die Haltestelle zwar pünktlich. Doch in Sonnborn fährt er auf die A 46 und damit geradewegs in den Stau. Der gewohnt starke Verkehr in Richtung Düsseldorf wird zusätzlich ausgebremst durch die Autobahn-Großbaustelle bei Haan-Ost, auf der offenbar nicht gearbeitet wird.
„Wir wollten den Bereich nicht noch zusätzlich durch Bautätigkeit und Baufahrzeuge belasten“, erklärt dazu auf WZ-Nachfrage Bernd A. Löchter vom Landesbetrieb Straßen NRW. Natürlich wisse man um die Bahnsperrung in Wuppertal, doch es handele sich um eine langfristig geplante Sanierung, die sich zeitlich nicht habe verlegen lassen können. Ein Abbau der Straßenbaustelle für die Zeit der Bahnsperrung sei ebenfalls nicht möglich.
Und so schleicht ein voller Bus mit Pendlern gen Düsseldorf. Mangels Gurten ist niemand angeschnallt, viele stehen. Nach Haan-Ost nimmt der SEV kurz Fahrt auf, bevor es ab Oberbilk erneut nur im Schritttempo vorangeht. Knapp eine Stunde braucht der Schienenersatzverkehr schließlich von Wuppertal zum Düsseldorfer Hauptbahnhof — die Regionalbahn schafft das normalerweise in 21 Minuten.
Laut Bahn verlief der erste Sperrungstag im Berufsverkehr dennoch „größtenteils reibungslos“. Genaue Fahrgastzahlen im Ersatzverkehr gebe es nicht. Wegen der Osterferien seien aber deutlich weniger Fahrgäste unterwegs, teilt der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) mit. Die Reisenden auf dem Rückweg nach Wuppertal berichten am Nachmittag von weiteren Verspätungen. Und im Wuppertaler Reisezentrum am Hauptbahnhof ist zu erfahren, dass es tatsächlich immer noch einige Menschen gibt, die ratlos nachfragen, warum keine Züge fahren.
Was passiert, wenn eine Großstadt von jetzt auf gleich vom Bahnverkehr abgeschnitten wird? Dann sind Menschen wie Dennis Marbaise täglich vier Stunden unterwegs. „Ich habe ja Verständnis dafür, dass die Bahn die Stellwerksarbeiten voranbringen will“, sagt er. „Aber eine Großstadt mit mehr als 350 000 Einwohnern einfach so abzukoppeln — das ist schon echt grenzwertig.“