Wirtschaft Wuppertaler Bandfabrik bangt um Zukunft
Dönberg. · Die Bandfabrik Gebrüder Stuhr fertigt jetzt Gummibänder für Gesichtsmasken. Für dauerhaften Betrieb braucht das Unternehmen aber Hilfe aus Berlin.
Eine Krise kann für Unternehmen Chance und Anlass für eine Neuorientierung sein, sie kann aber auch auf Holzwege und in Sackgassen führen. Mit diesem Dilemma und den daraus erwachsenen Entscheidungen stand und steht der Geschäftsführer der Bandfabrik Gebrüder Stuhr, Andreas Stuhr. Im Zuge der Corona-Krise brachen bei dem Dönberger Familienunternehmen im März die Aufträge ein: „Das war, als wenn einer den Stecker aus der Dose gezogen hätte“, erzählt er.
Quasi aus dem Stand musste sich der Betrieb mit seinen 25 Mitarbeitern nach neuen Absatzmöglichkeiten umschauen: Angesichts der weltweit großen Nachfrage nach Gesichtsschutzmasken verfiel Andreas Stuhr auf die Idee, künftig fünf Millimeter breite Gummibänder herzustellen, die in Schutzmasken verarbeitet werden können. Die Produktion von Bändern und Etiketten für die Bekleidungsindustrie wurde weitgehend eingestellt, die dafür genutzten Jacquard-Webstühle stehen still. Dafür wurden andere Webstühle aufgestellt und in Betrieb genommen, die Stuhr im Zuge von Übernahmen aus Insolvenzen drei anderer Firmen erworben hatte.
Die Zeit um Ostern nutzte das Unternehmen für die Umstellung. „Das war eine echte Herkulesleistung. Da haben die Leute 10 bis 15 Stunden täglich hier gearbeitet“, erinnert sich Andreas Stuhr. Seit gut drei Wochen läuft die Herstellung der Gummibänder nun: Man arbeite in drei Schichten pro Tag, die Auftragslage sei gegenüber der Zeit vor Corona deutlich angestiegen.
Von der Resonanz durch Bestands- und die Anfrage von Neukunden wird die Firma nun ein Stück weit überrollt. „Wir wissen gar nicht, wie wir die Anfragen der Kunden bearbeiten sollen“, gesteht der Geschäftsführer. „Wer sich als Neukunde bei uns meldet, muss sich zwei bis drei Wochen gedulden“, ergänzt Verkäufer Ralf Schröder. Bislang sind rund 2,4 Millionen Meter Gummiband bestellt, etwa 700 000 Meter bereits verkauft.
So weit, so zufriedenstellend. Doch wie nachhaltig ist die Perspektive für das Familienunternehmen, wenn die globalen Lieferketten wiederhergestellt sind und die Konkurrenz aus China erneut auf den europäischen Markt drängt. „Mit den Preisen aus China können wir einfach nicht konkurrieren“, sagt Stuhr.
Deshalb erinnerte er sich an die Worte von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), der angekündigt hatte, dass in seinem Ministerium ein Arbeitsstab eingerichtet wird, der sich mit dem Aufbau „nationaler und europäischer Wertschöpfungsketten“ unter anderem für medizinische Schutzausrüstungen beschäftigt. Unternehmen aus diesem Bereich sollten Investitionskostenzuschüsse erhalten. In einer E-Mail hat sich Andreas Stuhr an den Arbeitsstab „Produktion“ gewendet und wegen finanzieller Unterstützung nachgefragt, zudem setzte er regionale Bundestagsabgeordnete in cc.
Die Antwort aus Berlin
war ernüchternd
Die Antwort des Arbeitsstabs, die vor einigen Tagen auf dem Dönberg ankam, sorgte dann erst einmal für Ernüchterung. So gibt es zwar Förderprogramme, die richten sich zunächst allerdings an die Hersteller von Filtervliesstoffen oder die Produzenten von Maschinen, die Gesichtsmasken herstellen. Von Firmen, die Vorprodukte wie Stuhr fertigen, ist bislang keine Rede. Ob auch für solche Zulieferer Fördermittel bereitstehen, ist derzeit noch unklar. Auch eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums machte auf WZ-Anfrage dazu keine Angaben.
Für Andreas Stuhr bleibt mithin die Frage, wie zukunftsfähig die Neuausrichtung seines Unternehmens ist. Derzeit ist die Firma mit Aufträgen für die kommenden sechs Wochen ausgelastet. Doch das kann sich schnell wieder ändern: „Wenn wir keine Unterstützung von der Politik bekommen, dann ist das hier im Grunde nur ein Strohfeuer“, befürchtet Andreas Stuhr.