Experiment Chefs von Wuppertal Institut und Oper tauschen die Jobs

Das Institut für Klimaforschung und die Kulturinstitution wagen einen Rollentausch. Das Experiment wird nicht nur positiv aufgenommen.

Das Wuppertaler Opernhaus.

Foto: Ja/Fischer, A. (F22)

Opernintendant Berthold Schneider will erst einmal erklären, was Oper eigentlich ist. Auf der Probebühne des Opernhauses, vor etwa 50 Gästen, erzählt er, dass hier gerade noch ein Flügel gestanden habe. An dem sollen Sopran Nina Koufochristou und Solorepititor Koji Ishizaka die „Arie des Blondchens“ aus „Die Entführung aus dem Serail“ spielen. Wie das an der Oper so sei, sagt Schneider – „Der Flügel ist inzwischen weg. Aber wir wissen, wo er ist“, scherzt er. Gibt aber damit gleichzeitig einen Ausblick auf das Folgende, einen auf sich.

Denn Schneider ist in naher Zukunft auch weg. Aber man wird wissen, wo er ist. Im Wuppertal Institut. Schneider und Uwe Schneidewind, der Präsident des Instituts für Klima, Umwelt und Energie, tauschen ihre Rollen. Vom 28. Februar bis 20 März. Das ganze passiert unter dem Namen „Wechsel/wirkung“.

In Zeiten Sozialer Medien lässt sich der Plan nicht verheimlichen

Das Wuppertal Institut am Döppersberg.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Am 6. Februar haben sie das Konzept den Mitarbeitern vorgestellt. Geboren wurde die Idee am 2. Oktober – auf öffentlicher Bühne. Bei der Vorstellung des Buchs von Uwe Schneidewind in der Oper. „Am Ende hatte Berthold das spontan angeboten. irgendwie fühlte es sich gut an. Und es fühlt sich immer noch gut an“, sagt Schneidewind. Was gesagt worden ist, hat sich sofort bei Twitter verbreitet. In Zeiten Sozialer Medien lässt sich so ein Plan nicht mehr unter den Tisch kehren. Und so müssen jetzt Taten folgen.

Schneider und Schneidewind bemühen sich, erst einmal die Gemeinsamkeiten zu betonen. Die Nähe von Wissenschaft und Kunst. Die Nähe von Wuppertal Institut und Oper. Beide versuchen, das Potenzial der Menschen zu heben, sagt Schneidewind. Schneider betont, dass gerade die Wuppertaler Oper nicht fernab des Alltags agiere. Die Stücke, auch die alten, würden immer wieder in einen modernen Kontext gesetzt. „Die Realität hört hier nicht an der Kasse auf.“

Uwe Schneidewind ist Präsident des Wuppertal Instituts.

Foto: Alex Muchnik

Opernintendant Berthold Schneider.

Foto: Fischer, A. (f22)/Fischer, Andreas (f22)

Beide Institutionen sehen in der Aktion die Chance, sich zu verbessern. Für die Oper sei das trotz aller Modernität der Stücke gut. „Oper hat sich immer verändert. Nur in den letzten 100 Jahren hat sich in der Institution der Oper nicht viel getan“, sagt Schneider. Dabei sei das geboten. „Wenn wir die Welt verändern wollen., müssen wir bei uns anfangen“. Deshalb soll Uwe Schneidewind jetzt frischen Wind hereinbringen. Andere Impulse.

Schneidewind sieht für das Wuppertal Institut vor allem Vorteile durch Schneiders Blick auf die Vermittlung der Inhalte. „Für uns ist es interessant, wie unsere Inhalte dramaturgisch verpackt werden können.“

Dabei scheinen die Mitarbeiter des Wuppertal Instituts offener und entspannter gegenüber der kurzzeitigen Veränderung als die der Oper. Kein Wunder. Sie arbeiten deutlich dezentraler, eigenständiger im Alltag. Das kommt nach einer kurzen Vorstellung des Projekts in einem ersten Kennenlernen mit den neuen Kurzzeitchefs zum Vorschein. Eine Opern-Mitarbeiterin sagt, sie sei gar nicht begeistert gewesen, als die Idee öffentlich verkündet wurde. „Oh Gott, was kommt da für Mehrarbeit auf uns zu?“ Sie habe nur eingewilligt, weil Schneider ihr versichert habe, dass alles laufe wie bisher.

Wobei „Einwilligung“ nicht wirklich passend ist. Denn ein anderer Mitarbeiter kritisiert das gesamte Vorgehen, es sei, als würden „zwei Könige den Thron tauschen – und das Volk muss mitgehen.“ Das laufe doch konträr zu allem, was die Oper bezwecke – Gesellschaft formen und infrage stellen. „Zumindest die Form ist eine von Vorgestern“.

Die Oper zeigt sich kritisch, Schneidewind begeistert das

Die Offenheit imponiert Schneidewind. „Ich bin begeistert, wie offen das auf den Tisch kommt.“ Die Mitarbeiter betonen, dass sie für Schneidewind keinen Alltag simulieren könnten, keine Entscheidungen vertagen. Schneidewind beschwichtigt, dass er sich eher als Politiker sehe, der ein Ministerium führe. Der müsse Personal führen, nicht Fachmann sein.

Er wolle sich für andere Entscheidungsprozesse einsetzen, weniger Entscheidungen von oben nach unten. Das passiere zwangsweise. „Wenn es mehr als zehn Minuten kostet, mir etwas zu erklären, dann werdet ihr euch überlegen, ob ihr das selbst entscheidet.“

Schneidewind sieht aber auch das Nützliche. Er könne sich aktiv in die Projekte „Sound of the City 2020“ und das „Engelsjahr“ einbringen – es gehe um Arbeitswelten, ein Thema, für das das Wuppertal Institut mit Expertise bereitsteht.

Trotzdem: Beide sollen den Alltag des anderen erleben, voll und ganz eintauchen. Lernen, beobachten, einbezogen werden. Schneider sagt im Scherz, er hoffe, dass Schneidewind nicht geschont werde. Schneidewind liest sich derweil auch schon in die „Hochzeit des Figaro“ ein, das kurz nach der Tauschzeit startet.

Das ganze Treffen, trotz der Momente der Kritik, war gezeichnet von Humor und Respekt. Chefdramaturg David Greiner scherzte noch über die verschiedenen Arbeitsweisen der beiden Institutionen. So starte der ganze Tausch, der am 28. Februar mit einem Fußweg der beiden Protagonisten zur jeweils anderen Institution beginnen soll, eben für Schneidewind um 7 Uhr. Für Schneider um 9:30 Uhr. Dafür aber pünktlich. In der Oper gebe es kein c.t. – keine akademische Viertelstunde. Die frei denkenden Künstler arbeiten eben streng nach Plan.

Und die Arie des Blondchens, die dann an einem Klavier gespielt wurde, sorgte für reichlich Applaus.