Ermittlungsarbeit Cold Cases in Wuppertal: Polizei rollt ungelöste Kriminalfälle wieder auf
Wuppertal · „Rentner-Cops“ haben nach neuen Ansatzpunkten gesucht.
Mord verjährt nie. In den vergangenen anderthalb Jahren haben pensionierte Ermittler nach neuen Ansätzen gesucht, um bei Fällen, die seit Langem ungeklärt sind, doch noch den Täter zu finden. Nun geben die „Rentner-Cops“ die Fälle an die Kriminalpolizei zurück.
„Wir haben aktuell 13 Cold-Case-Fälle in Wuppertal“, sagt Polizeisprecher Rafael Bringmann. Einer stammt aus dem Jahr 1994. An einem Februarmorgen hat ein Auto-Schrotthändler an der Siegesstraße durch Zufall eine Leiche in einem alten Ford Granada entdeckt: Er vermutete im Kofferraum ein noch brauchbares Rücklicht, fand aber zwei nackte Füße. Sie gehörten zum steifgefrorenen Körper eines Mannes, der bis auf einen Slip unbekleidet war. Und ihm fehlte der Kopf.
Die Identität des Opfers ist noch immer ungeklärt. Bei der Obduktion stellte ein Gerichtsmediziner fest, dass der Mann etwa 30 Jahre alt und schon tot war, bevor er mit einem sägeähnlichen Gegenstand enthauptet wurde. Die Mitarbeiter der Kripo schickten Fingerabdrücke an Kollegen in mehr als 40 Staaten. 1994 wurde die Knochenpartie des Halses präpariert, für den Fall, dass ein passender Kopf gefunden wird. Um den Fall vielleicht doch noch lösen zu können.
Die Hoffnung hat das Landeskriminalamt für 1143 Cold Cases, die es seit 1970 in NRW gibt. 23 ehemalige Polizisten haben sich diese Mord- und Tötungsdelikte erneut angeschaut. Ein Ansatzpunkt kann die moderne Kriminaltechnik sein, Methoden, die es damals noch nicht gab. Aber auch Rechtsgrundlagen haben sich geändert und es können neue Hinweise aus der Bevölkerung kommen. „Unsere Ermittler reisen quasi in einer Zeitkapsel – bewaffnet mit kriminaltechnischem Besteck von 2023 – zurück in das Jahr der Tat“, sagt Innenminister Herbert Reul.
Das Projekt ist beendet, die Arbeit nimmt aber erst richtig Fahrt auf
Die „Rentner-Cops“ sind zwischen 62 und 65 Jahren alt, haben Auffrischungskurse zu Ermittlungsmethoden absolviert und waren vorher zum Beispiel Todesermittler, Kommissariatsleiter, Sachbearbeiter für Vermisstenfälle und Experten der Kriminaltechnik. Sie haben sich einen Überblick über den Stand der Ermittlungen verschafft, Akten digitalisiert, Asservate begutachtet und Ermittlungskonzepte erstellt. Das Ergebnis ihrer Arbeit: Noch während sie die Fälle sichteten, wurden sechs Fälle aufgeklärt. In 403 Fällen sehen die Polizisten gute Chancen, die Täter nach erneuten Ermittlungen fassen zu können. Wenn sich neue Ansätze ergeben, übernimmt die zuständige Kriminalpolizei, die Staatsanwaltschaft entscheidet schließlich über weitere Ermittlungen.
Ein weiterer Wuppertaler Cold Case stammt aus dem Jahr 1995. Im Januar wurde in einem Mehrfamilienhaus die Leiche eines Rentners entdeckt. Vieles wies darauf hin, dass der 79-Jährige das Opfer eines Raubmordes geworden war. „Seine Wohnung war durchwühlt worden, und zwar auf eine spezielle Art und Weise. Deshalb ließ diese Situation den Schluss zu, dass der oder die Täter etwas Spezielles gesucht haben“, erklärte Polizeisprecher Jan Battenberg, als die pensionierten Ermittler sich wieder in die Arbeit stürzten. „Da der Herr insgesamt einen wohlhabenden Eindruck machte, könnte sein Geld ein durchaus plausibles Motiv gewesen sein.“ Einiges am Fall blieb aber ein Rätsel. Zum Beispiel, wer die Tat begangen hat. Wie genau die Ermittlungen in den „kalten“ Wuppertaler Fällen nun weitergehen, steht noch nicht fest, sagt Rafael Bringmann. Das Innenministerium hat angekündigt, dass die Bearbeitung neu konzeptioniert wird. Innenminister Herbert Reul sagt über die abgeschlossene Arbeit der pensionierten Polizisten: „Zwar ist das Projekt beendet, die Arbeit nimmt aber jetzt erst richtig Fahrt auf.“ Auch wenn die Taten lange her sich, solle sich keiner der Täter in Sicherheit wähnen.