„Der Altersabstand reicht, um sich Respekt zu verschaffen“

Karin Lammel trat vor 100 Tagen ihren Dienst als Leiterin der JVA Ronsdorf an. Die WZ hat mit ihr über die ersten Wochen und ihre Arbeit gesprochen.

Foto: Stefan Fries

Karin Lammel hat vor 100 Tagen ihen Dienst als Leiterin der JVA Ronsdorf angetreten. Die WZ sprach mit ihr über ihren Start am Schmalenhof.

Sie leiten eine große Anstalt. Waren Sie schon überall in der JVA?

Karin Lammel: Ich habe die ersten Wochen genutzt, alle Bereiche und Bedienstete kennenzulernen. Es ist tatsächlich ein Riesengelände. An meinem Schrittzähler sehe ich, dass ich 2500 bis 3000 Schritte täglich mache, manchmal sogar 8000.

Was ist Ihnen Besonderes aufgefallen?

Lammel: Es ist eine moderne JVA. Die Technik des Gebäudes ist auf neuestem Stand, das hat mich schon sehr beeindruckt. Die Hafträume sind groß, hell und funktional.

Haben Sie Pläne für die Zukunft?

Lammel: Wir diskutieren gerade darüber, wie wir die Unterbringung der Häftlinge anders strukturieren können. Derzeit leben Häftlinge in einem Haus, die ähnliche Straftaten begangen haben. Eine Möglichkeit wäre, das Verhalten als Kriterium zu nutzen. Dann könnten wir zum Beispiel Häftlinge zusammenlegen, die sich als zuverlässig erwiesen haben, und ihnen entsprechend mehr Möglichkeiten bieten wie die Nutzung von Freizeiträumen. Das Entwickeln eines Konzepts ist aber ein längerer Prozess, an dem die Abteilungsleiter und die Teams beteiligt sind, denn sie sind die Praktiker vor Ort.

Seit Bestehen der JVA gibt es die Kritik, die Mitarbeiter seien zu jung und unerfahren. Wie sehen Sie das?

Lammel: Sie sind tatsächlich vergleichsweise jung, das Durchschnittsalter liegt bei 35 Jahren. Sie sind aber sehr gut ausgebildet. Mit 35 reicht der Altersabstand zu den jungen Gefangenen, um sich Respekt zu verschaffen. Das geringere Alter hat den Vorzug, dass sie sehr offen sind, auch neue Wege zu gehen.

Die JVA ist unter anderem mit mehreren Suiziden in die Schlagzeilen geraten. Was tun Sie, um Suizide zu verhindern?

Lammel: Jeder Inhaftierte spricht anfangs mit Bediensteten, die ausgebildet sind, Suizidgefahr an Äußerungen und Verhalten zu erkennen. Bei entsprechenden Hinweisen spricht der Anstaltspsychologe mit dem Häftling, in einigen Fällen auch der Anstaltsarzt. Der Häftling wird engmaschig überwacht, Bedienstete sehen in kurzen Abständen in die Zelle, die maximal 15 Minuten betragen. Bei akuter Gefährdung kommen die Inhaftierten in einen besonderen Haftraum, der mit Video überwacht wird. Unabhängig von solchen Maßnahmen können wir dem Suizidgefährdeten einen anderen Häftling als Ansprechpartner anbieten. Es wird auch diskutiert, normale Zellen mit Videokameras auszustatten.

Gerade ist der Häftling verurteilt worden, der in der JVA einen Mitgefangenen getötet hat. Wie sehr beschäftigt das die Mitarbeiter und Gefangenen noch?

Lammel: Sie können sicher sein, dass ein solches Geschehen jeden Bediensteten berührt. Wir haben das Strafverfahren natürlich verfolgt. Es ist gut, dass durch das Urteil jetzt ein Punkt gesetzt ist.

Gibt es etwas Neues zu der verschwundenen Munition?

Lammel: Die Ermittlungen dazu laufen. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.

Wie sieht der Alltag einer Gefängnisleiterin aus?

Lammel: Er besteht aus sehr vielen Besprechungen. Ich gehe durchs Haus, spreche mit Mitarbeitern. Wo es sich ergibt, auch mit Gefangenen. Später am Tag kümmere ich mich am Schreibtisch um Akten und Mails. Meine Arbeit umfasst ja viele Bereiche über den Vollzug hinaus wie das Personal und das Gebäude..

Wie viel Kontakt haben Sie zu den Gefangenen?

Lammel: Wenn ich ihnen begegne, spreche ich sie an, erfahre, wie sie sich fühlen, ob das Essen schmeckt, wie es für sie läuft. Bei Bedarf können Gefangene auch ein Gespräch mit mir beantragen, dann komme ich zu ihnen auf die Abteilung. Darüber hinaus gibt es die Gefangenen-Mitverantwortung, ein Gremium von fünf gewählten Gefangenen, mit dem ich mich regelmäßig treffe.

Wie sind Sie dazu gekommen, Gefängnisleiterin zu werden?

Lammel: Ich wollte ursprünglich Lehrerin oder Kinderärztin werden, bin an der Uni dann doch bei Jura gelandet. Das wirkt zunächst trocken, ist aber beim Befassen mit den dazugehörigen Lebenssachverhalten sehr interessant. Mir war schnell klar, dass ich etwas mit Menschen machen wollte. Im Referendariat habe ich den Vollzug kennengelernt und gesehen, dass es dabei nicht nur rein juristisch zugeht, sondern dass man mit Psychologen, Sozialarbeitern, Seelsorgern und weiteren Fachleuten zusammenarbeitet. Dieses Zusammenspiel der Professionen macht für mich den Reiz aus. Nach vielen Jahren im Erwachsenen-Vollzug habe ich mit der Stelle in Ronsdorf die Chance ergriffen, noch mal etwas Neues zu machen.