Der Blues braucht eine neue Heimat

Pächterin Jette Müller hört im Bahnhof Ottenbruch auf. Zum Abschied kamen alte Weggefährten.

Foto: Andreas Fischer

Briller Viertel. Zeit für Sentimentalitäten hat Jette Müller momentan noch nicht. Derzeit sei sie doch etwas im Stress und könne sich über ihre Stimmungslage kaum Gedanken machen, sagt die Wirtin des Ottenbrucher Bahnhofs. „Das kommt dann vielleicht später“, betont Müller. Am Freitagabend hat sie ihren offiziellen Abschied von dem Bahnhof genommen, zum Ende des Jahres gibt die 68-Jährige ihre Tätigkeit als selbstständige Gastronomin auf. Das erst vor einigen Monaten von einem Wuppertaler Investor gekaufte Gebäude soll dann aufwendig restauriert und wieder als gastronomische Einrichtung genutzt werden.

Zahlreiche Gäste sind zum letzten regulären Geschäftstag des Bahnhofs Ottenbruch in seiner jetzigen Form gekommen. Neben der Versorgung in der Gastronomie — alle Tische sind belegt —, gibt es an dem Abend auch etwas „auf die Ohren“. Im angrenzenden Veranstaltungssaal treten Bands aus den Sparten Blues sowie Rhythm and Blues auf: unter anderem Henrik Freischlader und seine Band, die Gila Nebe Band und Special Offer.

Seit 1991 hatte Müller die Gaststätte im Ottenbrucher Bahnhof betrieben, bis zu zehn Mitarbeiter standen ihr in Hochzeiten zur Seite. Sie habe nun ein Alter erreicht, in dem sie durchaus etwas kürzer treten könne, betont sie. Ganz werde der Kontakt zu den Gästen und Kollegen aber nicht abbrechen. „Ich werde vermutlich noch hin und wieder in anderen Lokalen aushelfen“, sagt sie. Da sie auf dem Ölberg wohnt, bleibe sie in der Nachbarschaft. Dass der Ottenbrucher Bahnhof nun — zumindest vorläufig — geschlossen wird, bedauert sie. „Es ist traurig, dass sich die Leute jetzt was Neues suchen müssen.“

Der neue Investor — ein Architekt aus Wuppertal — hat zwar angekündigt, dass der Bahnhof Ottenbruch als gastronomische Einrichtung weiterbetrieben wird. Etliche Besucher vom Freitag befürchten allerdings, dass mit dem Ende der Ägide Müller und dem geplanten Umbau die Lokalität ihren Charme verliert. „Das Angebot hier ist alternativlos“, sagt etwa Werner Ribbeck, der mit seiner Frau Elke seit 1997 regelmäßig den Bahnhof Ottenbruch besucht hat. Ribbeck spielt Bass in einer Blues-Band und bedauert deshalb auch, dass nun ein angesehener Konzertort für diese Musikrichtung in Wuppertal fehlt. „Der Blues braucht eine neue Heimat“, sagt er. Vergleichsweise gefasst nimmt Klaus Gronemeyer das Ende eine Epoche auf. „Es kommt jetzt halt was Neues“, sagt er lapidar. Gronemeyer hat seit etwa 20 Jahren die Konzerte im Ottenbrucher Bahnhof organisiert — aus Freude an der Musik und den Konzerten. „Das ist jetzt leider vorbei“, gesteht er. Und auch wenn er mittlerweile längst im Rentenalter ist, möchte der Cronenberger der Szene weiter verbunden bleiben. Zudem freut er sich aber auch darüber, dass er nun etwas mehr Zeit hat, um andere Konzerte zu besuchen.

In den letzten zwei Monaten hatte Gronemeyer auf jeden Fall reichlich zu tun. „Wir hatten fast jedes Wochenende hier ein Konzert“, sagt er. Schließlich wollten zum Schluss noch einmal alle Bands im Ottenbrucher Bahnhof auftreten, die hier ihre musikalische Heimat haben oder sich der Lokalität verpflichtet fühlten. Als „Urgestein“ bezeichnet sich auch Wolfgang Schmidt. Er hat selbst jahrelang in der Gastronomie gearbeitet und besucht den Ottenbrucher Bahnhof seit Anfang der 1990er Jahre regelmäßig. Er sei „sehr traurig“, dass hier nun Schluss ist, sagt er. „Für mich gibt es keine echte Alternative hierzu“, sagt er.

Der Ottenbrucher Bahnhof war 1879 erbaut worden, das Gebäude steht unter Denkmalschutz. Wegen des hohen Sanierungsaufwandes hatte die Deutsche Bahn den an der Nordbahntrasse gelegenen Bahnhof in diesem Jahr verkauft. Den Zuschlag erhielt ein Wuppertaler Architekt, der schon zahlreiche Projekte in seiner Heimatstadt umgesetzt hat. Bislang möchte der Investor nicht mit Namen in der Presse erscheinen.