Offen gesagt Der Spatz in der Hand

Wuppertal · In dieser Woche hat Wuppertal sich endgültig verabschiedet von Wirtschafts- und Stadtentwicklung. Es geschah in der Chefetage der Wuppertaler Stadtwerke. Und es beschreibt das ganze Elend, dass dieser schönen Stadt seit Jahr und Tag die Flugfedern stutzt.

Foto: Fischer, Andreas (f22)

Das alte Elberfelder Kraftwerk stand zum Verkauf. Und es ging nicht an die Bayer AG, die das Grundstück seit ewigen Zeiten als Erweiterungsfläche angesehen hatte. Sondern es soll ein Veranstaltungsort für Hochzeiten werden, vielleicht auch ein Hotel beheimaten. Der erfolgreiche Interessent hat letztlich 100 000 Euro mehr geboten. Insofern ist es freilich richtig, dass er den Zuschlag erhält. Aus Sicht der WSW-Geschäftsführung ist das sogar verpflichtend.

Aber schon der Aufsichtsrat des kommunalen Unternehmens hätte nicht ausschließlich auf das Geldbündel schauen dürfen. Denn er ist nicht nur für das Wohl und Wehe der Stadtwerke zuständig, sondern auch für das Wohl und Wehe Wuppertals. Doch das focht ihn nicht an, als der dem Verkauf an den Meistbietenden einstimmig seinen Segen gab.

Dieses Verhalten lässt tief blicken. Und es offenbart ein Desinteresse an Wirtschafts- und Stadtentwicklung, das jeden entmutigen müsste, der Wuppertal nicht in Leidenschaft und Liebe zugetan ist. Denn der Aufsichtsrat hat mit seinem Votum verheerende Signale ausgesendet. Zum einen macht er deutlich, dass er sich vom bloßen Duft des Geldes leiten lässt. Zum anderen erklärt er, dass er das große Ganze nicht in den Blick nehmen kann oder will. Und zum Dritten zeigt er dem Bayer-Werk und dessen Konzernleitung in Leverkusen, dass Wuppertal mit seinem größten industriellen Arbeitgeber eigentlich nichts mehr zu tun haben will.

Nun ist Kritik an Bayer geboten, nachdem die Chefetage beschlossen hat, eine 600-Milionen-Euro-Investition ungenutzt abzuschreiben und zu diesem Behelf im Tal und auf Aprath obendrein auch noch fast 800 Arbeitsplätze abzubauen. Aber ein Unternehmen auf diese Weise abzustrafen, ist nicht nur kurzsichtig, es ist auch provinziell. Vermutlich wird es nun schwierig, die Konzernchefs um Kompensation für den Stellenabbau zu bitten. Sollte Oberbürgermeister Andreas Mucke solche Gespräche tatsächlich noch führen wollen, hat ihm der WSW-Aufsichtsrat dazu riesige Felsbrocken in den Weg gelegt. Dem Wuppertaler Bayer-Standort hingegen zeigte der Aufsichtsrat sogar die Rote Karte. Entwicklung und Ausbreitung nicht gewünscht.

Wuppertal wäre Stuttgart, Hamburg, Berlin oder München, wenn es sich so ein Verhalten leisten könnte. Das ist Wuppertal aber nicht. Statt dessen quält diese Stadt sich mit einer Arbeitslosenquote, die weit über dem Bundesdurchschnitt liegt. Jeder siebte Einwohner ist von Sozialhilfe abhängig. So eine Stadt braucht Arbeitsplätze, möglichst viele und auch solche für Menschen, die nicht Informatik studiert haben oder Nobelpreis-verdächtig sind.

All das ist den Stadtverwaltern und den Politikern bekannt, auch denen, die unter anderem den gut dotierten Aufsichtsrat der WSW füllen. Aber es scheint ihnen egal gewesen zu sein, als sie den Verkauf des Kraftwerk-Grundstücks ohne Zögern an den Meistbietenden beschlossen. Mit einer Politik, die sich an Wirtschafts-, Struktur- und Stadtentwicklung orientiert, hat das rein gar nichts zu tun. Dabei besitzt Wuppertal derzeit nicht allzu viele Flächen, auf denen kurz-, mittel- oder langfristig produzierendes Gewerbe untergebracht werden könnte. Das Gelände des Elberfelder Kraftwerkes wäre so eine Fläche gewesen. Auf der anderen, am ehemaligen Spaßbad auf Lichtscheid, werden jeden Tag die Autos der Barmer-GEK-Beschäftigten geparkt.

Stadtentwicklungspolitik braucht Visionen und Visionäre. Sie braucht Menschen, die nicht nur an die Zukunft einer Stadt glauben, sondern diese Zukunft ermöglichen und mitgestalten wollen. Sie braucht Frauen und Männer, die den Mut haben, nach der Taube auf dem Dach zu streben. In Wuppertals Rathaus und im Stadtrat, in den Entscheidungsgremien der Tochtergesellschaften aber sind die Entscheider mit dem Spatz in der Hand zufrieden. Wohin das führt, zeigen alle relevanten Arbeitsmarktstatistiken und die viel zu vollen Flure des Jobcenters.