Historie Die Gleichschaltung der Stadt

Die Herrschaftsmethoden des Nationalsozialismus auf kommunaler Ebene.

Detlef Vonde ist Fachbereichsleiter an der VHS.

Foto: hammer/Anette Hammer/Freistil Fotografi

„Es kommt der Tag, und er kommt sehr bald, an dem Ihnen für Ihr schamloses Verhalten die Quittung ausgestellt werden wird, die Sie verdienen! Wir verlassen zum Protest gegen Ihre Handlungsweise den Saal.“ So klang der historische O-Ton von einem gewissen Franz Stöhr, seines Zeichens Geschäftsführer der NSDAP-Fraktion im deutschen Reichstag.

Ein Mann mit einem bezeichnenden Namen, der am 9. 2. 1931 bei seiner Rede-Adresse an die Zentrums-Partei im Deutschen Reichstag beileibe keine leere Drohung formulierte, wie sich bald zeigen sollte. Ein Blick in die Geschichte macht erschreckend deutlich, welch wirksamer Herrschaftstechnik sich die Nationalsozialisten nach der Machtübertragung Anfang 1933 gerade auf kommunaler Ebene bedienten, wie schnell sie die öffentlichen Verwaltungen der Städte kaperten und schließlich durchdrangen. Parallel zum Terror der Straße: Gleichschaltung kommunal.

Am 12. März 1933 verpasst die NSDAP bei den Kommunalwahlen in Wuppertal zwar um zwei Sitze die absolute Mehrheit, wird aber mit 37 Mandaten stärkste Partei im Stadtrat, deutlich vor der SPD (18) und der KPD (12). Danach geht alles sehr schnell. Zwei Wochen später schon werden bei der Stadtverwaltung 24 Beamte aus politischen Gründen zunächst „beurlaubt“ und danach fristlos entlassen, darunter auch die Beigeordneten Dr. Wilhelm Bragard, Ernst Dröner und Prof. Geßler, während Dezernent Carl Eberle schon direkt nach der Wahl in „Schutzhaft“ genommen worden war, wie es anschließend lapidar hieß. Eine zweite Entlassungswelle folgte schon wenige Tage später: Nach dem Erlass des „Gesetzes zur Wiederherstellung des deutschen Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 konnten alle politisch unliebsamen Beamten, Angestellten und Arbeiter rigoros aus dem Dienst entlassen werden. Und das wurde zügig umgesetzt. Weitere 50 Beamte und Angestellte sowie 150 Arbeiter wurden in den Tagen unmittelbar danach aus dem Dienst entfernt und durch bewährte Nationalsozialisten ersetzt. Sie nannten es „Säuberung“. Die entlassenen Stadtbediensteten erhöhten die Zahl der Arbeitslosen, die Ende 1932 bei ca. 59 000 gelegen hatte.

Nur ein Jahr nach der Machtübertragung geriet die kommunale Selbstverwaltung damit vollends zur Farce. Mit Beginn des Jahres 1934 schaffte das „Preußische Gemeindeverfassungsgesetz“ dieses noch junge demokratische Prinzip sang- und klanglos wieder ab. Künftig wurden die 24 Stadtverordneten nur noch auf Vorschlag der NSDAP vom Regierungspräsidenten direkt ernannt. Ihr Auftrag: Lediglich die Beratung des künftig allein verantwortlichen Oberbürgermeisters. Das war’s. Der Wuppertaler OB Ju­li­us Fried­rich, seit 1931 im Amt, hatte es in vorauseilendem Gehorsam verstanden, den Nazis den Weg zu bereiten. Als eines der wenigen Oberhäupter einer deutschen Großstadt durfte er im Amt bleiben. Ein kommunaler Steigbügelhalter der Machtergreifung, der später entnervt zurücktrat. Wieder ein Jahr danach trat eine revidierte Gemeindeordnung in Kraft, die das sogenannte Führerprinzip nun vollends auf die Verwaltung übertrug. Damit war die kommunale Selbstverwaltung der Stadt Wuppertal nicht nur ad absurdum geführt, sondern im Sinne des Nationalsozialismus binnen 24 Monaten ausgehöhlt und gleichgeschaltet. Dieses Vorgehen zählte zum Grundrepertoire der der NS-Herrschaftstechnik: Innerhalb kürzester Zeit vollzog sich die Absicherung der Macht auf lokaler Ebene, in Wuppertal wie auch anderswo.