Wuppertaler Geschichte Von Bismarckheringen und vaterländischem Geist

Detlef Vonde über patriotische Vereine und Militarisierung im Kaiserreich.

Detlef Vonde ist Historiker und Leiter der Politischen Runde der Bergischen Volkshochschule.  Foto: Anette Hammer

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Am 18. Januar 1871 wurde in einem wenig spektakulären Akt nach höfischem Ritual und in militärischen Ehren der bis dato preußische König Wilhelm I zum Kaiser des neuen Deutschen Reiches proklamiert. Es folgten knappe fünf Jahrzehnte eines monarchisch konstitutionell geprägten, pseudodemokratischen deutschen Nationalstaates, der spätestens in der Novemberrevolution von 1918 und der vernichtenden Niederlage im Ersten industrialisierten Weltkrieg sein Ende fand. Wer hätte gedacht, dass 47 Jahre später ein anfangs starrsinniger dann verwirrter Monarch Halsüberkopf in die benachbarten Niederlande fliehen und um Asyl nachfragen würde?

Der Sieg im Krieg gegen Frankreich und die Reichgründung 1871 hatten damals weite Kreise des Landes in einen gleichsam kollektiven Rausch versetzt, dem ein rasanter ökonomischer Aufschwung folgte, der später als Gründungsboom bezeichnet werden sollte. Hinter der Fassade der erfolgreichen industriellen Entwicklung, der gesellschaftlichen Aufbrüche und technischen Innovationen, der entstehenden Arbeiterbewegung und einer liberalen Öffentlichkeit aber verbarg sich der konservative, soldatisch monarchische Zeitgeist. Getragen von autoritär verkrusteten, semifeudalen Herrschaftsstrukturen, denen sich das liberale Besitzbürgertum bereitwillig anpasste. Die Geschäfte liefen glänzend.

Dieser aus heutiger Sicht bizarre Zeitgeist drückte sich auf gesellschaftlicher Ebene in immer neuen Denkmälern, Statuen und patriotisch vaterländischen Vereinsgründungen aus, die den öffentlichen Raum gleichsam besetzten: als Krieger- und Veteranenvereine, vaterländische Frauenvereine und andere mehr. Der 1873 gegründete Deutsche Kriegerbund etwa startete mit gerade einmal 214 lokalen Vereinen und 27 000 Mitgliedern, überschritt aber 1898 bereits die Millionengrenze.

Vor allem der so apostrophierte Reichsgründer, Otto Fürst von Bismarck, hatte im Hinblick auf öffentliche Devotionalien hohe Konjunktur: Bismarckvereine, Bismarcktürme, auch Bismarckheringe. Dieser Bismarck schrieb zugleich eine Randnotiz in der Wuppertaler Geschichte. Noch vor der Reichsgründung hatte der in weiten Kreisen ebenso beliebte aber als ostelbischer Junker auch geschmähte Machtpolitiker in Elberfeld bei den Wahlen 1867 für ein Mandat im damaligen Norddeutschen Reichstag kandidiert und sich in der Stichwahl dann auch durchgesetzt, nachdem er im ersten Wahlgang allerdings keine 40 Prozent der Stimmen gewonnen hatte. Das Ergebnis passte dem politischen Aufsteiger nicht im Geringsten. Er lehnte das Mandat ab und gab dem in seinem Heimatwahlkreis bei Magdeburg den Vorzug. Auf ein Elberfelder Denkmal musste er etwas länger warten: Ein Spendenaufruf von 1895 brachte dann aber die beachtliche Summe von 60.000 Reichsmark zusammen, sodass der inzwischen hochbetagte und längst entlassene ehemalige Reichskanzler drei Jahre später sein Denkmal am Mäuerchen erhielt – gegenüber der Reichsbank.

Die Gründungswelle der patriotischen Vereine und Kriegervereine folgte insgesamt betrachtet der Perspektive einer Militarisierung der Wilhelminischen Gesellschaft als offensiv nationalistische Grundeinstellung (Gesinnungsmilitarismus). Im besonders radikal völkischen Alldeutschen Verband gewann die Bewegung ab 1891 bereits präfaschistischen Charakter. Das alles hatte zugleich das Ziel einer antisozialistischen Prophylaxe gegen die damals deutlich erstarkende Arbeiterbewegung: Den Mitgliedern solcher Vereine war die Teilnahme an sozialdemokratischen Veranstaltungen strikt verboten.