Als Seelsorgerin im Bethesda Krankenhaus Wuppertal erlebe ich jeden Tag, dass eine moderne Klinik nicht nur ein Ort der Hochleistungsmedizin, der Daten und kalkulierbaren Erwartungen ist. Menschen, die ich begleite, müssen sich häufig mit intensiven Gefühlen auseinandersetzen. Und sie formulieren nicht selten ängstlich oder auch zuversichtlich eine Hoffnung: „Hoffentlich werde ich wieder gesund“ oder „Hoffentlich schlägt die Therapie an.“
Wie wertvoll ist es, wenn ein Mensch immer wieder neu Zugang zu einer zuversichtlichen Perspektive bekommen kann. Dieselbe Krankheit kann von zwei Menschen ja ganz unterschiedlich verarbeitet werden – je nachdem, wie sie darauf blicken. Hoffnung ist eine Ressource, die Resilienz fördert. Ein hoffender Mensch hat im Hier und Jetzt mehr Kraft zum Leben.
Hoffnung ist dabei etwas anderes als blinder und naiver Optimismus. Sie sieht den guten Ausgang der bedrohlichen Lage nicht als Tatsache an, sie kennt auch das Bangen. Hoffnung ist nach meiner Erfahrung zunächst eine Haltung der Offenheit. Anders als die Erwartung, die sich auf ein konkretes Ziel richtet, lässt ein Mensch, der hofft, Raum für das, was kommt. Erwartungen sind festgelegt, Hoffnungen können sich wandeln.
Selbst wenn ich keine vollständige Heilung erlebe, kann ich hoffen, dass ich auch mit einer Einschränkung ein erfülltes Leben habe, dass sich mir in Zukunft ein Sinn meiner Erkrankung erschließen wird, den ich jetzt noch nicht erfassen kann. Oder, dass ich auch in der für mich schweren Zeit eine wichtige Erfahrung machen werde.
Förderlich für solche Hoffnung sind Menschen aus allen Berufsgruppen im Gesundheitswesen, die das Leiden eines Menschen nicht bagatellisieren und die doch den Raum für Hoffnung offenhalten. Das gilt besonders auch für den Palliativbereich: selbst wenn ein Mensch sterbenskrank ist, kann doch viel für ihn getan werden – medizinisch wie menschlich, durch Symptomlinderung wie durch Gespräche und Schweigen miteinander oder mit einem zugesprochenen Segen.
Dass ich Halt in einer Gemeinschaft finde, ist das, was die Hoffnungskraft eines Menschen unterstützt. Das stützt mein Vertrauen, von guten Mächten geborgen zu sein. Und da sind wir alle gefragt. Auch als Familienmitglieder, Freunde und als Nachbarschaft. Eine tragende Gemeinschaft hat enorme Kraft und macht Hoffnung möglich.
Erstaunlicherweise habe ich in meinem Berufsalltag die größte Hoffnung oft bei denen gefunden, die von außen betrachtet wenig Grund dazu hatten. Eine schwer kranke Frau, die ich einmal seelsorglich begleitete, hoffte zunächst wie viele darauf, vollständig geheilt zu werden. Sie setzte viel Hoffnung auf neue medizinische Programme, malte sich aus, wie sie wieder arbeiten gehen und manchen geplanten Urlaub nachholen würde.
Nach erlittenen Rückschlägen und der klaren Ansage, dass von einer Heilung nicht auszugehen ist, stellte sie ihre Hoffnungen darauf ein. Sie veränderte sie dahingehend, dass sie hoffte, keine Schmerzen erleiden zu müssen, noch die Hochzeit der Enkelin miterleben zu dürfen und noch ein einziges Mal das Meer zu sehen. Später wiederum hoffte sie, dass sie durch eine gute Pflege unterstützt werden würde, schließlich, dass sie sanft sterben würde.
Als sie schließlich verstarb, war mein sicheres Gefühl: All ihre Hoffnungen waren nicht umsonst und mit ihrem Tod zunichtegemacht. Ihre Hoffnungen waren eine Lebenskraft, die ihr durch die schwere letzte Zeit des Lebens hindurch geholfen hatten. Angesichts der schweren Lebensumstände empfand ich Hochachtung vor ihrem letzten Weg.
Die Hoffnungskraft schwerkranker Menschen hat mich oft tief berührt und beeindruckt. In diesen Begegnungen habe ich selbst sehr viel gelernt, wofür ich dankbar bin. In der Begleitung von kranken Menschen ist erstaunlicher Weise meine eigene Kraft, zu hoffen, gestärkt worden.
Dorothee Nüllmeier ist Krankenhausseelsorgerin im Bethesda Krankenhaus Wuppertal