Ein Puzzle mit 4706 Pfeifen
Stück für Stück wird die frisch gereinigte Sauer-Orgel gerade wieder zusammengesetzt.
Elberfeld. Satt klingt der Ton der großen Orgelpfeife durch den großen Saal der historischen Stadthalle. An den Tasten des Spieltisches sitzt Orgelbaumeister Johannes Falke und drückt eine der unzähligen weißen Tasten. Aus dem Inneren der Sauer-Orgel — zehn Meter entfernt und einige Meter über dem Boden — ertönt wenig später ein lautes „ja“. Manuel Gerold hat die Einstellungen an der Pfeife abgeschlossen. Weiter geht es — Johannes Falke drückt die nächste Taste — 3900 Pfeifen müssen noch auf den richtigen Klang gebracht werden, bis die frisch gereinigte Sauer-Orgel wieder in voller Pracht erklingen kann.
Um die beiden Orgelbauer herum türmen sich die akkurat beschrifteten und in Klanggruppen verpackten Orgelpfeifen — von der kleinsten, fünf Millimeter messenden — bis hin zur großen, fünf Meter messenden Pfeife, die bereits wieder an der Schauseite des riesigen Instruments angebracht ist. All diese Bauteile wurden in den vergangenen Monaten aufwendig abgebaut und gereinigt. Je nach Größe der Pfeife mit einem Staubsauger, Druckluft, Pinsel oder mit Wasser und Spülmittel — erst wenn Staub und andere Fremdkörper aus den Pfeifen entfernt wurden, können sie wieder ihren ursprünglichen Klang haben. „Da war so viel Staub drinnen, den haben Sie mit den Fingern allein gar nicht mehr entfernt bekommen“, sagt Hans-Joachim Oehm, Musikwissenschaftler und Orgelkustos.
Die aufwendige Reinigung der Pfeifen in Höxter ist aber nur der erste Teil des Projekts — ein Großteil der Arbeit liegt noch vor Johannes Falke und seinem Kollegen. Sie müssen nun in mühevoller Kleinarbeit alle Pfeifen wieder an den richtigen Platz bringen, keine Pfeife darf vertauscht werden. „Sonst stimmt der Klang nicht mehr“, sagt Oehm. 850 Stück haben sie schon wieder verbaut, rund 3856 warten noch auf den Einbau.
Und damit ist es nicht getan, denn jede Pfeife muss wieder sorgfältig intoniert werden, so dass ihr Ton genau stimmt und die 25.000 Kubikmeter Luft im großen Saal der Stadthalle (16 Mal der Inhalt des großen Beckens in der benachbarten Schwimmoper) ohne störende Interferenzen in Schwingung gebracht werden können. Das erreichen die Orgelbauer, in dem sie Stellschrauben drehen, Abdeckungen öffnen oder schließen, oder — auch das hilft — etwas an den Pfeifen biegen.
Auch das Innenleben der Orgel, die Stellwerke, die den Luftstrom zu den Pfeifen leiten, wurden wieder auf Vordermann gebracht. Ein Großteil der Arbeit findet dabei im Inneren der Orgel statt, wo die meisten der Pfeifen angeordnet sind. Auf der Vorderseite, Prospekt genannt, sind nur besonders prachtvolle Pfeifen zu sehen. „Da sieht man 40 Pfeifen und denkt, das wäre es — weit gefehlt“, sagt Hans-Joachim Oehm, während Orgelbauer Johannes Falke per Hubsteiger die nächsten Pfeifen in fünf Meter Höhe fährt.
Für den Orgelbauer aus Höxter ist die Arbeit an der Wuppertaler Sauer-Orgel etwas ganz Besonderes. „Eine der schönsten Orgeln, die wir jemals intoniert haben“, sagt er anerkennend. Noch bis zum September wird er beinahe jeden Tag im großen Saal der Stadthalle verbringen und mit Manuel Gerold und Hans-Joachim Oehm dafür sorgen, dass beim ersten Orgelkonzert nach der Renovierungspause jeder Ton stimmt. „Am 7. September werden die letzten Töne gestimmt.“