Reportage Ein Spaziergang durch Wuppertal im Shutdown
Wuppertal · Die WZ war unterwegs in der ungewöhnlich leeren City – eine Reportage in der besonderen Shutdown-Atmosphäre
Der zweite Lockdown hat Einzug gehalten in den Wuppertaler Zentren. Und auf den ersten Blick wirkt die Stadt tatsächlich wie ein Konzertsaal, der zwar mit Ankündigung, aber dennoch abrupt verlassen wurde. Sowohl jene, die kamen, um der Musik beizuwohnen, als auch die, die sie machten, scheinen verschwunden. Stille herrscht am Kasinokreisel, wo sonst der Verkehr seinen unaufhörlichen Takt vorgibt. Auch die monotone Akustik in den Geschäftsstraßen ist verstummt. Gitter vor den Schaufenstern gleichen einem plötzlich zugezogenen Vorhang vor der Bühne, auf der die City spielt.
Was zunächst aber wie der harte Schnitt wirkt, den der Lockdown versprach, entpuppt sich bald als neue Normalität. Denn die Stadt als ausgestorben zu beschreiben, wäre doch übertrieben. Die Musik spielt noch immer, nur ist sie nicht mehr das laute, etwas zu schrille Gesamtwerk, das sie noch in der letzten Woche war. Das Publikum drängt sich nicht mehr. Es ist ausgedünnt und lauscht den einzelnen Musikanten, die nun das Straßenbild bestimmen; seien es die Markstände, Imbissbuden oder eben – im wahrsten Sinne – die Straßenmusiker, die nun für weniger Zuhörer spielen, aber eben merklich ruhigere Melodien.
Ein Passant wechselt im Vorübergehen einige freundliche Worte mit einem Akkordeon-Spieler. Es wird miteinander gesprochen, der Abstand kann in den Fußgängerzonen jederzeit und überall eingehalten werden, und Begegnungen werden – ganz im Gegensatz zum Weihnachtsstress, der sonst dieser Tage dominiert – nun persönlicher.
Sitzplätze in der Schwebebahn
bleiben am Samstag frei
So findet auch „Rosenkavalier“ Ralf Bosshammer nun Zeit für den ein oder anderen Austausch mit der Kundschaft. Wenige Tage vor dem Fest sei ihm das sonst nie möglich gewesen. Einbußen hat der Blumenverkäufer auf dem Neumarkt selbstverständlich zu machen, der Unterschied sei „krass, mehr als 50 Prozent“, sagt er. „Alles, was Laufkundschaft ist, kommt natürlich nicht rein.“ Doch trotz des Umbruchs versucht er, das Positive zu sehen: „Es schmerzt, aber zumindest dürfen wir ja etwas verkaufen.“ Bosshammer schätzt sich glücklich, als Blumenhändler kaum Online-Konkurrenz zu kennen und unterstreicht: „Die Maßnahmen sind ja richtig und notwendig.“
Auch wenn völlig verlassene Straßen gleich einer Geisterstadt in Wuppertal Mangelware bleiben, erreicht der Lockdown doch, dass der Raum sich vergrößert. Die Maskenpflicht wird weiterhin von einer großen Mehrheit gewahrt, und durch die zusätzlich mögliche Distanz besteht ein geringeres Risiko. Die Maßnahme sorgt dafür, dass viele, wenn auch nicht alle, daheim bleiben. Dass an einem Samstagmittag freie Sitzplatzwahl in der Schwebebahn besteht, ist selten.
Dass sich nun, da es mehr Platz gibt, im Hinblick auf Corona in den Zentren wohler gefühlt werden kann, ist an Eltern mit spielenden Kindern auf dem sonst leergefegten Johannes-Rau-Platz spürbar. Der Werth ist nicht verlassen, doch die Atmosphäre gemütlicher. Verständnis für die Details der Regelung ist aber nicht allenthalben gegeben.
Jenny und Melissa, beide 15, kritisieren beim Flanieren über den Alten Markt: „Es ist doof, dass manche Geschäfte zu sind.“ Der Grund: „Manche sind geschlossen, in denen das gut unter Kontrolle ist. Dafür sind andere offen, wo das Infektionsrisiko höher ist.“ Verständlich angesichts einiger Weihnachts-Einkäufer, die sich in den noch offenen Drogerien und Kaufhäusern teils doch dicht drängen.
Ballonverkäufer Akif Özdemir knotet derweil unter freiem Himmel Figuren für Kinder. „Ich merke einen Unterschied, aber es ist nicht katastrophal“, sagt er. Ihm bleibt auch und gerade in dieser Zeit eine Feststellung: „Wuppertal ist besonders lebendig.“