Kita Erzieherinnen aus Spanien lindern die Personalnot in Wuppertal
Wuppertal · Maria Estévez Diaz und Montserrat Martin Hernando stellen große Unterschiede der Kita-Systeme fest.
125 000 Erzieher fehlen laut einer Umfrage des Paritätischen Gesamtverbandes vom Juni dieses Jahres in Deutschland. Eine kurzfristige Lösung, die innerhalb Deutschlands den massiven Personalmangel lösen könnte, gibt es nicht. Im Gegenteil, die Dauerbelastung derer, die den Betrieb in den Einrichtungen aufrechterhalten, wächst und wächst. Zu den Konsequenzen zählen steigende Ausfalltage bei den Erziehern, teilweise geschlossene Einrichtungen und verzweifelte Eltern. Der Kita-Träger Kinderwelten in Wuppertal ist nun einen – noch – ungewöhnlichen Schritt gegangen, um an Personal zu kommen. In der Barmer Einrichtung des Trägers haben zwei Erzieherinnen aus Spanien ihre Stellen angetreten.
Maria Estévez Diaz und Montserrat Martin Hernando kommen von Teneriffa und aus einem kleinen Dorf auf dem spanischen Festland. Beide sind ausgebildete Erzieherinnen, haben in Spanien studiert. Doch dort ist der Markt übersättigt, es ist schwer, eine Stelle als Erzieherin zu finden, momentan gibt es einen Überhang von rund 15 000 Erziehern. In Wuppertal sind sie durch ein länderübergreifendes Projekt der Agentur für Arbeit Wuppertal-Solingen mit den Kollegen aus Spanien gelandet. Gemeinsam vermitteln die Agenturen spanische Erzieher, die Interesse an einer Stelle in deutschen Kitas haben, an entsprechende Träger aus Deutschland. Neben den Kinderwelten Wuppertal sind noch zwei weitere Träger aus der Stadt dabei: Kinderland Kindergärten und Troxler-Haus. Auf die Frage, ob sie schon Unterschiede zwischen den beiden Kita-Systemen gefunden haben, sind sich beide einig: „Ja, sehr große“, sagen sie. Diese würden sich zunächst auf die Gruppenstruktur beziehen. In Spanien seien die Kinder in altersgleichen Gruppen organisiert und nicht gemischt mit Kindern zwischen drei und sechs Jahren. Zudem bezeichnen sich die beiden immer wieder als „Lehrerinnen“. Das liegt daran, dass der Beruf der Erzieherin in Spanien einen etwas anderen Stellenwert in der Kindheitsentwicklung hat und auch nur über ein Studium ergriffen werden kann.
Montessori-Konzept überzeugt die Erzieherinnen aus Spanien
„In Spanien sind die Kinder nicht bis sechs Jahren im Kindergarten, sondern besuchen zwischen drei und sechs Jahren eine Art Vorschule. Wir sind Lehrerinnen für diese Altersgruppe“, erklärt Montserrat Martin Hernando. Dabei betreut eine Erzieherin eine Klasse von rund 20 Kindern. Entsprechend erfreut sind sie darüber, wie die Kinder durch einen besseren Personalschlüssel in Deutschland gefördert werden können. Das Montessori-Konzept der Kinderwelten-Kita, bei dem Wert darauf gelegt wird, dass sich die Kinder frei entfalten können, hat beide zusätzlich direkt angesprochen. „Wir haben schon im Vorstellungsgespräch gemerkt, dass die beiden dahingehend sehr interessiert sind. Vielleicht auch, weil es noch einmal den Unterschied der Kinderbetreuung in diesem Alter zwischen den beiden Ländern stärker verdeutlicht“, sagt Yvonne Matej. Sie hat vor zehn Jahren den Kita-Träger Kinderwelten Wuppertal gegründet.
Das Interesse und der Wille, nach Deutschland zu kommen, war also schnell da. Und doch hat es etwas gedauert. Denn Voraussetzung für die Teilnahme an dem Programm ist nicht nur, dass die Erzieher bereits qualifiziert sind. Sie mussten auch noch einen Deutschkurs machen. „Zuvor haben wir aber mehrere Gespräche per Zoom geführt und anschließend waren die beiden eine Woche zur Hospitation in der Einrichtung“, erklärt Matej, die sehr viel Zeit in das Projekt gesteckt hat. Und nicht nur das, auch Geld müssen die Träger investieren, für Reisekosten, Deutschkurse und Unterkunft in Wuppertal. Denn die Kita muss nicht nur bei der Wohnungssuche helfen, sondern auch den ersten Monat der Unterkunft finanzieren und bei der Einrichtung der Wohnung unterstützen. Für die Sprachkurse und alle anderen Kosten gibt es Zuschüsse, den Rest müssen die Kita-Träger in Deutschland übernehmen. Auch Gänge zu den Ämtern werden begleitet. „Darüber hinaus bemühen wir uns sehr, die beiden hier in Wuppertal zu integrieren. Auch die Kolleginnen haben mit ihnen schon einiges unternommen. Wir haben sogar zwei Erzieherinnen in unseren Einrichtungen, die Spanisch sprechen, so können wir auch mögliche Kommunikationsschwierigkeiten schnell lösen“, sagt Matej. Denn sie ist sich sicher, dass dieses Projekt nur glückt, wenn sich die beiden in Wuppertal schnell einleben und kein Heimweh haben. Die Spanierinnen durften direkt als Fachkraft in den Einrichtungen anfangen, allerdings nur als Erzieherinnen im Kindergarten. Erzieherinnen mit einem Abschluss in Deutschland dürfen zum Beispiel auch in Kinderheimen arbeiten. Ob die beiden Spanierinnen das irgendwann dürfen, stellt sich noch heraus. Denn die Unterlagen über ihren Studienabschluss liegen Momentan bei der Anerkennungsstelle. Dort wird entschieden, in welchem Umfang die Ausbildung aus Spanien anerkannt wird und welche Weiterbildungen in Deutschland noch gemacht werden müssen, damit der Abschluss hier mit dem einer Erzieherin gleichwertig ist. „Wir rechnen damit, dass das ein bis eineinhalb Jahre dauern wird“, sagt Matej.
Das Projekt läuft seit Sommer in mehreren deutschen Städten. Rund 70 Spanierinnen und Spanier haben ihr Interesse bekundet, zehn davon möchten insgesamt nach Wuppertal kommen.