Ferientipps für Daheimgebliebene (3): Im Aufwind über Wuppertal
Mit dem Motorsegelflugzeug kann man die Stadt von oben sehen — der LSC macht’s möglich.
Wuppertal. Der Himmel ist wolkenverhangen, ein leichter Wind weht über die Startbahn des Flugplatzes in Radevormwald. An diesem Nachmittag ist kaum etwas los. Lediglich eine Handvoll der 120 Mitglieder des Wuppertaler Luftsportclubs (LSC) warten ein paar Maschinen in der Flugzeughalle.
„Damit geht’s für uns gleich ab in die Luft“, sagt Arnim Kolat, 2. Vorsitzender des LSC, und zeigt auf den Falke C2000 D-KIOB, der vor der Flughalle steht. Da ist er plötzlich wieder, der leichte Anflug von Flugangst, der mich seit Jahren auf jedem Passagierflug in den Urlaub begleitet. Als mein Blick erstmals auf das acht Meter lange blau-weiße Motorsegelflugzeug fällt, steigt mein Puls. Blitzartig schießen mir Fragen durch den Kopf: „Passen da überhaupt zwei Menschen rein? Kann uns der knapp 450 Kilogramm schwere Flieger sicher in der Luft?
Aller Skepsis zum Trotz sitze ich wenig später angeschnallt in dem engen zweisitzigen Cockpit der kleinen Maschine. Nachdem Arnim Kolat die Funktionstüchtigkeit des Motorseglers durchgecheckt hat, steigt er ebenfalls an Bord. Kurz erklärt er die zahlreichen Instrumente im Cockpit, dann wird die Kanzel über unseren Köpfen geschlossen.
„Dann wollen wir mal. Bitte das Headset aufsetzen, es wird jetzt etwas lauter.“ Mit diesen Worten startet Arnim Kolat, 28 Jahre alt und seit 1999 Pilot, den Motor. Das laute Brummen des Propellers lässt mich kurz zusammenzucken, das eigene Wort ist nun kaum noch zu verstehen. „Wir rollen nun zur Startposition, das kann etwas holprig werden“, kommt es knackend über die Kopfhörer.
Wenige Minuten später ist es soweit: Der Motor läuft auf vollen Touren, als der Tower die Starterlaubnis erteilt. In wenigen Sekunden beschleunigt der Motorsegler auf dem unebenen Untergrund rumpelnd von Null auf 100, so dass wir in die Sitze gepresst werden. Am Fenster fliegen Bäume und Flugplatzgebäude vorbei. Meine Finger krallen sich in die Oberschenkel, der Puls ist gefühlt im vierstelligen Bereich. „Und schon fliegen wir.“ Arnim Kolats Worte lassen mich überrascht aus dem Cockpit schauen: Wir haben tatsächlich abgehoben und befinden uns bereits in der Luft.
Kolat, der bereits über 2500 Starts hinter sich hat, steuert die Maschine gekonnt in den Himmel. „Die Wetterverhältnisse sind gut, es dürfte ein ruhiger Flug werden“, sagt der 28-Jährige, um sogleich einzuschränken: „Es wird natürlich wackliger als in einer normalen Passagiermaschine.“ Dies hänge mit der leichteren Maschine und der stärkeren Thermik in unserer Flughöhe — die liegt heute bei etwa 400 Metern — zusammen. An der Kanzel des Fliegers rauscht der Wind vorbei, ab und zu knackt es in Rumpf und Cockpit. Auch die kleinen Luftlöcher beim Aufstieg sind gewöhnungsbedürftig. Doch als die Flughöhe erreicht ist, interessiert das nicht mehr: Der atemberaubende Ausblick auf Wuppertal und weite Teile des Bergischen Landes lässt dafür keinen Platz. Auf der rechten Seite taucht der Beyenburger Stausee auf, nach einem kurzen Schwenk mit dem Steuerknüppel drehen wir nach links ab und fliegen das Wuppertaler Stadtgebiet entlang.
„Bei optimalem Wetter kann man von Radevormwald aus bis nach Köln sehen. Heute versinkt Köln etwas im Dunst, aber die Sicht ist ganz okay“, sagt Kola, als er den Falke mit bis zu 140 Sachen entspannt über Heckinghausen, Oberbarmen und die Innenstadt hinweg steuert. Mein Blick schweift den Wupperverlauf und der Friedrich-Engels-Allee entlang. Bei der Universität bleibe ich hängen: Aus der Luft ist der Campus größer als gedacht.
Über dem Zoo und dem Sonnborner Kreuz angekommen, deutet Arnim Kola aus dem Cockpit: „Da kann man die Müngstener Brücke und Schloss Burg erkennen“. Als es die Sonne kurz durch die Wolken schafft, wird es in der Kanzel warm wie in einem Gewächshaus. Doch auch das ist nebensächlich. Zu faszinierend ist der Blick auf die beiden Bergischen Sehenswürdigkeiten, die in der bewaldeten Hügellandschaft liegen: Während Deutschlands höchste Eisenbahnbrücke vom Himmel aus wie das Zubehör einer Modelleisenbahn erscheint, könnte Schloss Burg problemlos Platz in einem Lego-Ensemble finden.
Wir drehen ab. Nach etwa 45 Minuten haben wir über Cronenberg auch Solingen und Remscheid hinter uns gelassen. Der Landeanflug beginnt. Bei einer Schleife über die Ennepetalsperre schaltet Arnim Kola den Motor aus: „Den Rest segeln wir.“ Mit einem Mal ist nur noch der Wind unter den 17 Meter langen Tragflächen zu merken. Es wird wieder ruckelig. Egal: Angst und Skepsis sind längst verflogen, ich genieße sogar die Landung — denn die gehört nun mal dazu. Leider. Der Flug hätte ruhig noch länger dauern können.