Finanzen: Deshalb lebt Wuppertal im Schuldenturm
Dank Stärkungspakt, niedriger Zinsen und Ausgabendisziplin führt Stadtkämmerer Johannes Slawig einen ausgeglichenen Haushalt. Aber der Preis dafür ist sehr hoch.
Die Zahlen können schwindelig machen. Zum Ende des vergangenen Jahres hatte die Stadt Wuppertal ihr Konto um gut 1,3 Milliarden Euro überzogen. So hoch ist der sogenannte Kassenkredit, mit dem Kämmerer Johannes Slawig (CDU) einen Großteil der laufenden Ausgaben abdeckt. Für Investitionen, also den Bau und die Unterhaltung von Immobilien und Straßen steht ganz Wuppertal mit fast 670 Millionen Euro in der Kreide. Fast zwei Milliarden in roten Zahlen. Das ist schlimm. Aber es war schon schlimmer.
Im vorigen Jahr hat Wuppertal erstmals seit 1992 weniger Geld ausgegeben als eingenommen. Der Haushalt war ausgeglichen, wie es das Stärkungspaktgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen vorschreibt. Wuppertal hat sogar einen Überschuss erwirtschaftet, der vor allem daraus resultiert, dass ein Unternehmen seine Gewerbesteuerschuld getilgt hat. Außerdem haben Land und Bund Zuschüsse erhöht und hat die Stadt ihre eigenen Ausgaben gesenkt und sind die Kreditzinsen seit Jahren auf einem Tiefststand. Dadurch ist die Höhe der Kassenkredite binnen eines Jahres um fast 150 Millionen Euro gesunken. Ein Trend ist das nicht.
Zwar wird Slawig auch in den nächsten drei Jahren ausgeglichene Haushalte planen, weil davon Zuschüsse des Landes abhängen, mit weiter sinkenden Schuldenständen ist dennoch nicht zu rechnen. Der Kämmerer peilt für die nächsten Jahre einen Haushaltsüberschuss von maximal 50 Millionen Euro an. Gemessen an zwei Milliarden Euro Schulden ist das ein Tropfen auf den heißen Stein.
Für Wuppertal und die Wuppertaler stehen die Zeichen also auch in Zukunft auf sparen. Dabei haben sie den ausgeglichenen Haushalt bereits teuer bezahlt. Dass Hallenbäder und Stadtteilbibliotheken geschlossen worden sind, ist eine Folge der Sparhaushalte. Die Zahl der städtischen Mitarbeiter ist in einigen Ämtern mittlerweile auf einen kritischen Punkt gesunken. Unpopuläre Entscheidungen wie etwa die Schließung des Schauspielhauses sind ebenfalls das Ergebnis einer dauerhaften finanziellen Notlage.
Die hat in den 1980er Jahren ihren Anfang genommen. Damals begann der Strukturwandel sich auch in Wuppertal bemerkbar zu machen. Weniger Arbeitsplätze beispielsweise in der Textilindustrie bedeuteten höhere Sozialausgaben. Das bisschen Speck war 1993 aufgebraucht. Damals begann die unselige Geschichte der Kassenkredite. Sie schreibt seither meist unrühmliche Kapitel. Und zuletzt führte dabei die große Politik die Feder. Als ein Übel der städtischen Haushaltslage führt Slawig die Unternehmensteuerreform an, mit der der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder und dessen Finanzminister Hans Eichel (beide SPD) Konzernen hätten helfen wollen, sich umzustrukturieren. Wuppertal hat das ab 2001 mit einem Gewerbesteuerrückgang von 50 Millionen Euro mitbezahlt. Dieselbe Summe kostete die Finanzkrise der Jahre 2008/2009, gleichzeitig stiegen die Sozialausgaben weiter, weil die Zahl der abgabenpflichtigen Arbeitsplätze zwischenzeitlich auf einen historischen Tiefstand von 115 000 sanken.
Verhältnismäßig gering, aber nicht unerheblich ist der kommunale Anteil am finanziellen Niedergang. Er macht sich mehr an der Höhe der Investitionskredite bemerkbar. Deren Höhe ist binnen 25 Jahren um 270 Millionen auf knapp 670 Millionen Euro gestiegen. Ursache dafür ist der vielzitierte Baukostenindex, der dazu führt, dass die Stadt offenbar nicht in der Lage ist, Bauvorhaben zu vorab vereinbarten Kosten abzuwickeln. Die Sanierung der Stadthalle beispielsweise war mit knapp 40 Millionen D-Mark geplant, hat dann aber mehr als 80 Millionen D-Mark gekostet, wobei die Türme auch noch aus dem Programm genommen worden sind. Die neue Tribüne des Zoostadions sollte zehn Millionen D-Mark kosten, belastete die Stadt dann aber mit 30 Millionen D-Mark, mit einer Summe also, mit der der Fußballclub Waldhof Mannheim damals ein ganzes Stadion baute.
Eine Kostenexplosion gab es auch bei der Schwebebahn. Sie sollte für etwa 500 Millionen D-Mark erneuert werden, heute belaufen sich die Rechnungen nach Angeben der Stadtwerke auf 620 Millionen Euro — inklusive 31 neuer Wagen allerdings — mehr als doppelt so viel wie zunächst geplant. Einen Großteil der Summe haben gleichwohl Land und Bund übernommen.
Doch auch wenn Baukostensteigerungen sich in erklecklichen Millionensummen widerspiegeln, sind für die notorisch schwierige Kassenlage andere Einflüsse hauptverantwortlich. Städte wie Wuppertal gehen durch die Last der Sozialausgaben in die Knie. Denn mit dem Strukturwandel und mit nachteiligen Gesetzesänderungen geht anscheinend ein Verhalten von Bund und Land einher, dass mit dem Verursacherprinzip nichts mehr zu tun hat. Galt früher einmal, dass der die Musik bezahlt, der sie bestellt hat, feiern Bund und Land in den vergangenen Jahren mit zunehmender Leidenschaft Partys auf Kosten der Städte. Deren Anteil an den Hartz-IV-Leistungen, an Aufwendungen durch die Zuwanderung ist angesichts der nicht vorhandenen Einflussmöglichkeiten unverständlich hoch. Deshalb ist es auch keine Bettelei, dass Kämmerer Slawig mit zahlreichen Kollegen aus anderen gebeutelten Städten überall in Deutschland vom Bund einen Altschuldenfonds fordert, dessen Finanzierung Bund, Länder und Kommunen bestreiten. Geschieht das nicht, bleibt es beispielsweise in Wuppertal bei Finanzierungsengpässen für Kindergärten, Schulneubauten, für Sanierungen und auch für die sogenannten freiwilligen Leistungen. Darunter fallen Ausgaben für Kultur, für Freizeiteinrichtungen und Zuschüsse für Vereine. Langfristig werden solche Städte im Vergleich zu reichen Kommunen unattraktiv für einkommenstärkere Bevölkerungsschichten.
Insofern mag der ausgeglichene Haushalt auf der Basis des Stärkungspaktes, niedriger Kreditzinsen und der Ausgabendisziplin zwar kurzfristig ein Erfolg sein, ein Anzeichen für blühende Landschaften an der Wupper ist er angesichts der chronischen Unterfinanzierung des städtischen Haushaltes jedoch nicht. Deshalb lebt Wuppertal im Schuldenturm. Es wird ihn nur verlassen, wenn Bund und Land den Geldverteilungsschlüssel drehen.