Forensik: Das sind die Fakten
Welche Straftäter sollen im Tal untergebracht werden? Unter welchen Bedingungen? Die WZ gibt Antworten.
Wuppertal. Proteste von etwa 500 Gegnern am WZ-Mobil, mehr als 100 Leserzuschriften und Online-Kommentare an die WZ, Bürgerinitiativen und Protest-Petitionen: Der Widerstand in Wuppertal gegen die geplante Forensik ist riesig. Die zuständige NRW-Ministerin Barbara Steffens (Grüne) hat sich in Wuppertal bislang nicht öffentlich zur Forensik erklärt — werde das aber zeitig tun, wie ihr Ministerium versichert. Dafür hat das Land jetzt auf WZ-Nachfrage Fakten zur Forensik-Planung auf den Tisch gelegt.
„Die Ministerin sagt immer, es geht nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie“, sagte am Mittwoch der Sprecher des NRW-Gesundheitsministeriums, Christoph Meinerz, der WZ — und widersprach damit Äußerungen von Stadtsprecherin Martina Eckermann, man sehe noch gar keine Forensik in Wuppertal. Wuppertal sei einer der letzten fünf Landgerichtsbezirke in NRW ohne forensische Klinik — daher müsse im Bezirk nun bis spätestens 2020 eine gebaut werden.
Nein, sagt das Land. Zur Auswahl stehen die Standorte Lichtscheid und Kleine Höhe. Eine erste Sichtprüfung des Geländes Kleine Höhe haben Ministeriums-Mitarbeiter bereits am 31. Oktober vorgenommen. Am Mittwoch hat die Stadt dem Ministerium weitere umfangreiche Unterlagen zum Gelände aus der bisherigen Planung des Gewerbegebiets Kleine Höhe übergeben. Nun prüft das Land die beiden möglichen Standorte. Bis zur Entscheidung dauere es noch mehrere Wochen, so das Ministerium.
In Wuppertal sollen die psychisch kranken und suchtkranken Straftäter therapiert werden, deren Unterbringung im Maßregelvollzug vom Wuppertaler Landgericht beschlossen wird. Um welche Deliktgruppen es sich handeln kann, zeigt die landesweite Statistik der aktuellen Forensik-Patienten: Laut dieser haben 26 Prozent der Insassen Körperverletzungs-Delikte begangen, 20 Prozent Sexual-, 16 Prozent Tötungs- und zwölf Prozent Raub- oder Erpressungsdelikte. Acht Prozent der Straftäter sitzen wegen Diebstahls ein, je sieben wegen Brandstiftungs- und Drogendelikten. Zudem leiden 47 Prozent der Patienten an Schizophrenie.
Zu den baulichen Sicherheitsstandards zählen 5,50 Meter hohe Mauern und Zäune sowie besonders gesicherte Pforten und Sicherheitsschleusen sowie Videoüberwachung. Das Land betont: „Aus den in den vergangenen zehn Jahren in NRW neu errichteten forensischen Kliniken konnte bislang kein Patient ausbrechen.“
„Das Grundprinzip der Forensik lautet: Straftäter, die weiterhin als gefährlich gelten, kommen aus der Einrichtung nicht heraus“, versichert Ministeriumssprecher Meinerz. Das bedeute für manche Patienten: Sie blieben lebenslang ohne auch nur einen einzigen Freigang eingesperrt. Freigang sei erst dann möglich, wenn „deutliche Therapieerfolge“ sogenannte Lockerungen zuließen — vom bewachten bis hin zum unbegleiteten Freigang.
Bei diesen Freigängen kommt es sehr wohl zu sogenannten Entweichungen: Das waren im Jahr 2011 laut Ministerium knapp 130 Patienten, die von einem Freigang oder Urlaub nicht oder verspätet zurückkehrten. Die Hälfte von diesen sei freiwillig zurückgekehrt, die meisten anderen seien rasch gefasst worden.
Eine genaue Statistik dazu habe das Ministerium nicht, hieß es am Mittwoch. Grundsätzlich seien Straftaten von Patienten außerhalb der Kliniken aber „äußerst selten“, und dann handle es sich überwiegend um Diebstahlsdelikte Suchtkranker. Zum Stichtag 1. Juli waren NRW-weit 15 Patienten auf der Flucht. Straffällig sei von diesen zumindest im Bundesgebiet bislang keiner geworden.
“ Das Land hat für Bürger-Fragen zur Forensik eine kostenlose Info-Rufnummer geschaltet. Sie ist montags bis freitags, 8-18 Uhr, unter Telefon 0800/137 7 137 zu erreichen. Eine Info-Broschüre des Landes zum Thema Forensik gibt es außerdem hier zum Download.