Geburtstage werden kostspieliger
Viele Anbieter entlasten Eltern bei der Bespaßung der feiernden Kindermeute.
Vor zwei bis drei Jahrzehnten reichten ein paar Luftschlangen und bunte Ballons als Deko für den Kindergeburtstag. Dazu der Lieblingskuchen des Geburtstagskindes und Spiele wie Topfschlagen, Sackhüpfen und Schokoladenessen. Der Höhepunkt der Geburtstagsfeier war erreicht, wenn sich keines der eingeladenen Kinder nach reichlichem Genuss von Würstchen und Kartoffelsalat übergeben musste.
Heute ist der Aufwand deutlich höher: es wird dekoriert, gebastelt und gebacken, was das Zeug hält - auch wenn die Torte in Form eines Piratenschiffs nur kurze Aufmerksamkeit genießt. Die Ansprüche an ein gelungenes Geburtstagsfest sind gestiegen. Wohl auch aus diesem Grund, wird das Fest aus den eigenen vier Wänden verlagert:
„Für viele Eltern sei es eine Erleichterung, wenn Kindergeburtstage woanders gefeiert werden können.“, sagt Julia Dürbeck, Leiterin der Kunstvermittlung im Von der Heydt-Museum. Sie weiß aus eigener Erfahrung, dass Kindergeburtstage aufwendig sind. Zumal eine Gästezahl von zehn bis zwölf Kindern normal sei. Das Von der Heydt-Museum bietet Geburtstagsfeiern für zwei oder drei Stunden an. Erst gibt es einen Rundgang im Museum, dann können die Kinder im Atelier selbst etwas gestalten.
Nicht zuhause zu feiern hat aber manchmal auch ganz praktische Gründe, wie im Fall von Ella Anton. Die zweifache Mutter hat für den Geburtstag ihres vierjährigen Sohns eine kleine Halle gemietet, weil ihre Wohnung zu klein für eine Feier ist. „Außerdem konnten sich die Kinder dort auch besser austoben“, erläutert sie ihre Entscheidung.
Ihre Freundin Nelli Holzwart bestätigt: „Man unternimmt eher etwas mit den Kindern, damit man das Chaos nicht zuhause hat.“ Den fünften Geburtstag ihrer Tochter hat sie im Upsalla gefeiert, einem riesigen Indoor-Spielplatz, in dem Kinder klettern, toben, hüpfen können. Außerdem gibt es Trampoline, Minigolf, Autoscooter und Bällebäder. Kindergeburtstage werden in einem der fünf Mottoräume unter anderem mit Cinderella oder Winnie Pooh-Deko gefeiert. Die Kosten des Geburtstag benennt Holzwart mit 350 Euro. Das Geschenk für ihre Tochter und die Torte inklusive. „Ich finde es ganz schlimm auswärts zu feiern“, sagt Albina di Lucio. Die Mutter von drei Kindern feiert klassisch zuhause, zuletzt hat sie eine Übernachtungsparty für ihre zehnjährige Tochter Sophia ausgerichtet, mit zehn eingeladenen Mädchen. Als Stress empfindet sie das nicht. „Klar, überlegt man schon einen Monat vorher, was man mit den machen kann, aber die Zeit sollte man sich nehmen.“ Ihre Mutter stimmt ihr zu: Auswärts seien die Kinder häufig verstreut und es sei schwierig, zusammen zu feiern.
Doch egal, wie gefeiert wird: Wichtig ist aus Sicht der Wissenschaft vor allem, dass gefeiert wird. Geschichtlich stehen Geburtstagsfeiern demnach für die Entwicklung zu einer individualisierten Gesellschaft. „Man schimpft gerne ein bisschen über die immer aufwendigen Geburtstagsfeiern und bezeichnet sie als Kommerzialisierung, aber sie sind Ausdruck einer wichtigen Haltungen gegenüber den Kindern und zukünftigen Bürgerinnen und Bürgern unserer Gesellschaft“, schreibt sie Professorin Doris Bühler-Niederberger, die sich an der Bergischen Universität Wuppertal mit der Soziologie der Familie, der Jugend und der Erziehung beschäftigt. Damit leiste jeder im Privaten einen Beitrag zu der Gesellschaft. Zusammen genommen sind diese Beiträge unverzichtbarer Baustein unseres Zusammenlebens, so die Forscherin.