Geistig topfit und sprachgewandt mit 105

Herbert Köhrmann ist einer der ältesten Wuppertaler und feiert morgen Geburtstag.

Herbert Köhrmann wird am Dienstag 105 Jahre alt.

Foto: Fischer, Andreas (f22)

Barmen. Er zählt zu den ältesten Wuppertalern und feiert morgen seinen 105. Geburtstag: Herbert Köhrmann ist geistig noch topfit und telefoniert regelmäßig mit Freunden in aller Welt. Denn Köhrmann war Zeit seines Lebens aktiv als Esperantist. In dieser Weltsprache konnte er sich mit Bekannten auf allen Kontinenten austauschen. Durch sie erhielt er persönliche Schilderungen wichtiger Ereignisse, etwa aus Hiroshima. Denn bis heute ist er geschichtlich sehr interessiert.

Bekannt wurde Köhrmann durch seinen Einsatz für die Kurzschrift Sprechspur. Oberst Felix von Kunowski hatte sie erfunden, und der Wuppertaler Fritz Höke als erste Schriftmöglichkeit für Schulanfänger eingeführt. Köhrmann gehörte damals zu den Lehrern. Nach dem Krieg gründeten Höke und er gemeinsam die Sprechspurgesellschaft. Ihr Ziel war es, diese über die ganze Welt zu verbreiten. „Das war jahrzehntelang meine Lebensarbeit“, sagt Köhrmann. Viele ältere Wuppertaler haben die Sprechspur-Schrift noch in der Schule gelernt.

In seinem langen Leben hat der Wuppertaler viel gesehen. Er wuchs in der Weimarer Republik auf, mit Pferdewagen und Dienstmädchen, und ging in das damals noch ganz neue Kino. Der Abstand zur arbeitenden Klasse war groß: „Ich durfte nicht mit den Kindern vom Proletariat spielen — die stanken und sprachen Wuppertaler Platt mit Kraftausdrücken“, erzählt Köhrmann. Heimlich tat er es aber trotzdem. Als junger Erwachsener erlebte er die Nazi-Zeit. „Das waren alles Rabauken. Das Männlichkeits-Gehabe war nichts für mich. Die meisten Menschen haben das selbstständige Denken verlernt“, sagt er heute über die Nazis. Köhrmann tauschte sich in dieser Zeit mit Kommunisten ebenso aus wie mit Sozialisten und Geistlichen, ließ sich von niemandem vereinnahmen.

Nach seiner Banklehre arbeitete er als Einkäufer beim Werkzeughersteller Emil Kränzler und bei den Arado Flugzeugwerken in Potsdam. Seine Sprachkenntnisse kamen dem Wuppertaler immer wieder zugute: Nach dem Krieg übersetzte er vier Jahre lang die in Augsburg erscheinende Tageszeitung für die Besatzer ins Englische. Dann kehrte er zu seiner Frau und seinen drei Töchtern nach Wuppertal zurück. Hier war er erst bei Bemberg tätig, dann bis zu seinem 70. Geburstag beim Baustoff-Händler Schade und Sohn. tah