Soziales Zwischen Krankheit und Smalltalk
Wuppertal · Die Gesundheitskolumne: Ehrenamtliche Klinikseelsorger kümmern sich um das seelische Wohl der Patienten.
An die Tür klopfen, nachfragen, ob mein Besuch willkommen ist und dann den Stuhl ans Krankenbett ziehen – oder weitergehen, wenn es gerade nicht passt. Das gehört zu meinem Arbeitsalltag als ehrenamtliche Klinikseelsorgerin im Wuppertaler Petrus-Krankenhaus. Einmal in der Woche bieten mein Kollege Helmut Kottsieper und ich den Patienten ein offenes Ohr und vor allem Zeit für Gespräche über die großen und kleinen Sorgen, die ihnen auf der Seele liegen.
Sehr oft geht es um die Erkrankung, bevorstehende Operationen, Schmerzen und die Frage, was nach der Entlassung passiert oder wie die Familie mit dem Klinikaufenthalt klarkommt. Aber es gibt auch den Small Talk übers Wetter, die Kinder, den Hund. Das bringt ein Stück Alltag und Normalität ins Krankenzimmer.
Auch ich weiß aus eigener Erfahrung, wie es sich anfühlt, Patientin in der Klinik zu sein. Man hat so viel Zeit und auch Langeweile im Krankenhaus. Das tut einfach nicht gut und fürs Gesundwerden ist es wichtig, dass andere da sind, die zuhören, trösten und die Situation mit aushalten.
Ich wollte etwas Sinnvolles tun und habe 2019 im Petrus-Krankenhaus als sogenannte „Gottesdiensteinladerin“ angefangen. Als ich dann das Angebot bekommen habe, mich zur Klinikseelsorgerin ausbilden zu lassen, habe ich nicht lange überlegt. Während der einjährigen Ausbildung habe ich auch meinen Kollegen Helmut kennengelernt. Als pensionierter Chemielehrer engagiert er sich schon seit den 80er-Jahren ehrenamtlich im Krankenhaus, das hat mich sehr beeindruckt. Und seit März 2021 sind wir gemeinsam als Klinikseelsorger unterwegs. Die Ausbildung war eine gute Vorbereitung auf meine praktische Arbeit in der ehrenamtlichen Klinikseelsorge. Der knapp einjährige Kurs besteht aus Seminarabenden, die alle 14 Tage stattfinden und Blockwochenenden. Er wird von Pfarrerin Michaela Kuhlendahl und Pfarrer Jörg Keßen geleitet. Dazu kommen Praxiszeiten durch Krankenbesuche im Petrus- und St. Josef-Krankenhaus, sowie im Helios-Klinikum. Es hat mich am Anfang schon Mut gekostet, in jedes Zimmer zu gehen und die Patienten anzusprechen. Man muss mit Zurückweisungen umgehen können, sollte freundlich, aber nicht aufdringlich sein. Viele Patienten fühlen sich allein und sind dankbar, wenn jemand sich an ihr Bett setzt und für sie da ist – im Gespräch oder im Schweigen, mit einem Gebet oder Segen. Manchmal aber entlädt sich auch der ganze Frust über die Erkrankung und die Ungerechtigkeit des Lebens bei uns.
Besonderen Respekt hatte ich anfangs vor religiösen Fragen, etwa warum Gott das Leid zulässt oder ethischen Fragen nach Sterbebegleitung und Sterbehilfe. Oft geht es auch um den Umgang mit Aggression und Resignation, mit Erkrankungen wie Demenz und Krebs und um eigene Erfahrungen mit Religion und Krankheit. Da ist es gut, dass uns in der Ausbildung Instrumente an die Hand gegeben wurden, um mit solchen Situationen umzugehen und angemessen zu reagieren.
Wir sind momentan ganz schön gefragt, denn der Gesprächsbedarf ist in der Corona-Pandemie spürbar gestiegen. Schließlich wurden die Besuchszeiten für Angehörige und Freunde bis heute deutlich eingeschränkt. Mich persönlich erfüllt meine Tätigkeit sehr, daher würde ich mir wünschen, dass es mehr Menschen gibt, die auch Interesse haben, ein Ehrenamt auszuüben. Insgesamt arbeiten in den Wuppertaler Kliniken derzeit fünf hauptamtliche evangelische Krankenhaus-Pfarrerinnen, die von Ehrenamtlichen in der Seelsorge und im Besuchsdienst unterstützt werden. Und vielleicht sind meine Erfahrungen für den ein oder anderen Leser der letzte Impuls, der noch fehlt.
Ein neuer Ausbildungskurs startet am 19. Januar 2023, Einsatzorte werden das St. Josef- und Petrus-Krankenhaus und das Helios-Klinikum sein. Pfarrerin Kuhlendahl freut sich über Interessierte: Tel. 0202 299-1476 oder michaela.kuhlendahl@cellitinnen.de.
Zu guter Letzt ist meine Arbeit nicht nur ein Geben von meiner Seite, aus den Gesprächen mit den Patienten nehmen wir auch viel für uns selbst mit. Und gerade von älteren Patienten gibt es für mich als junge Erwachsene schon mal den Rat, meine Lebenszeit gut und sinnvoll zu nutzen. Manchmal auch verbunden mit dem Appell, in dieser schwierigen Zeit etwas für den Zusammenhalt in der Gesellschaft zutun. Und genau so verstehe ich mein Ehrenamt.
Charlotte Ehlert ist ehrenamtliche Klinikseelsorgerin am Petrus-Krankenhaus Wuppertal.