Wuppertaler Auslese „Gorbach“ von Wuppertaler Autor Hank Zerbolesch: Macht der Ort den Menschen oder der Mensch den Ort?
Wuppertal · Wie Orte die Menschen prägen – und umgekehrt.
Macht der Ort die Menschen oder machen die Menschen den Ort? Eine Fragestellung, auf die es wohl so viele Antworten gibt, wie Menschen auf der Erde. Dieser Frage ist der Wuppertaler Autor Hank Zerbolesch in seinem neuen Roman „Gorbach“ nachgegangen, der Anfang April erschienen ist. Nun ist Zerbolesch für „Gorbach“ mit dem Förderpreis des Von der Heydt-Kulturpreises der Stadt Wuppertal ausgezeichnet worden.
Gorbach ist der Name des fiktiven Orts, an dem das gleichnamige Werk spielt. Doch Gorbach ist mehr als eine Stadt, ein fiktiver Punkt auf einer Landkarte. „Dadurch, dass alles episodenhaft erzählt ist, dass man in die verschiedenen Menschen, Orte, Protagonisten hineinguckt, gibt es in dem Sinne keine Handlung“, erzählt Hank Zerbolesch im Gespräch mit der WZ. „Die Handlung ist der Ort, der Hauptprotagonist ist der Ort.“
In den einzelnen Abschnitten lernen die Leser die Bewohner von Gorbach kennen, erleben eine Momentaufnahme ihrer jeweiligen Lebenswirklichkeit. Der irre Ele, an seine Wohnung und den Rollstuhl gefesselt, erinnert sich an seine Vergangenheit als stadtbekannter Kleinkrimineller. Julia ist mit ihren Kindern vor einem Krieg geflohen und versucht allen Widrigkeiten zum Trotz in einem fremden Land, einer fremden Stadt ein neues Leben aufzubauen.
Schonungslos und ehrlich zeichnet Zerbolesch eine Collage der Lebenswirklichkeit der Protagonisten, findet jedoch auch immer wieder die leisen Zwischentöne von Mitgefühl, Empathie und Hoffnung. Die Charaktere sind unmittelbar beeinflusst von ihren Umständen – solche, auf die sie meistens keinerlei Einfluss haben.
„Das geht schon da los, wo du geboren wirst oder in welchen Kreisen du geboren wirst, was für einen Schulabschluss du dann kriegst“, so Zerbolesch. „Auf die meisten Faktoren haben wir überhaupt keinen Einfluss. Also man hat einfach unglaublich wenig Einfluss auf die Dinge. Du bist immer anderen Menschen ausgesetzt, die auch wiederum anderen Menschen ausgesetzt sind.“
Eine Antwort darauf, ob der Ort die Menschen macht oder die Menschen den Ort, liefert „Gorbach“ nicht. Das Werk soll auch keine Antworten liefern, sondern es den Lesern selbst überlassen, zu interpretieren und ihre eigene Antwort zu finden. Aber was er persönlich glaubt? „Ich glaube, dass der Ort die Menschen macht“, sagt Hank Zerbolesch. „Das ist mein Zwischenstand. Ich komme gerade auch so ein bisschen herum mit dem Roman und habe Lesungen und ich sehe an den verschiedenen Orten, dass die Menschen häufig sind wie der Ort.“ So sei er in Freiburg gewesen, „es war wunderschön, super beschaulich“. Und als er sich in eine Kneipe setzte, „waren die Leute genauso, wie dieser Ort aussah.“
Und Wuppertal? „Wenn man nach Wuppertal schaut, sind die Menschen erst einmal alle motzig. Also da muss man sich durch ganz viel Motz durchwühlen, um die Perlen rauszufischen. Aber wenn man die Perlen hat, dann glänzen die auf den ganzen Ort.“
Hank Zerbolesch ist 1981 in Düsseldorf geboren, seit 2004 lebt er in Wuppertal. Anfangs lebte er nahe des Bahnhofs Steinbeck. „Das war so mein Bereich von Wuppertal über mehrere Jahre. Und da war alles dreckig und die Leute waren unzufrieden“, erzählt er. Dann fing er an, in der Villa Media zu arbeiten. „Da habe ich Leute kennengelernt, die einen ganz anderen Vibe hatten. Die waren energiegeladen, fröhlich, die haben einfach gegen den Rest angestrahlt. Das hat mir den Ort eröffnet. Und die strahlen auch heute noch über das Nörgelige und Dreckige und den ganzen anderen Rest hinüber und machen den Ort für mich schön.“
Für die Literatur begeistert haben ihn Texte des amerikanischen Schriftstellers Charles Bukowski. Zum Schreiben ist er in Wuppertal gekommen. Jahrelang war er auf Slam-Bühnen unterwegs, hat verschiedene Literaturformate entwickelt und veröffentlichte 2014 seinen ersten Kurzgeschichtenband „Rausch-Hour“.