Große Hilfe für kleines Geld: Die Ein-Euro-Jobber auf der Trasse
Viele sind engagiert bei der Sache, andere betätigen sich nur widerwillig: Langzeitarbeitslose zwischen Motivation und Frustration.
Loh. Jeden Morgen steht er um 6 Uhr auf. Dann folgt, was viele einen Knochenjob nennen würden: Steine schleppen, pflastern, Mauern bauen. Immer unter freiem Himmel - auch bei Regen oder großer Hitze. Dennoch wiegelt er ab: "Ach was, hier arbeitet sich keiner kaputt. Aber die jungen Spunde kommen trotzdem nicht aus’m Quark." Siegfried Krieger ist ein Freund der deutlichen Worte. Unmotivierte Kollegen sind ihm ein Dorn im Auge. Trotz des niedrigen Stundenlohns von 1,50 Euro ist er selbst immer motiviert - das erwartet er auch von seinen Kollegen.
90 sogenannte "1-Euro-Jobber" waren im Sommer im Auftrag des Wichernhauses mit dem Ausbau der Nordbahntrasse beschäftigt, vermittelt von der Arge. In den vergangenen Wochen wurde die Zahl der Arbeiter noch aufgestockt , weil die Bauarbeiten zunächst nur bis September weitergehen durften - jetzt halten die Fledermäuse Winterschlaf. Dann bekommt Siegfried Krieger wieder neue Kollegen.
Der 57-Jährige wurde 1998 arbeitslos. Fast zehn Jahre suchte er Arbeit, schrieb Bewerbungen, stellte sich bei Firmen vor. "Erst gestern war ich wieder bei der Arbeitsagentur. In meinem Alter bekommt man nichts mehr." Das klingt nach Resignation - aber gegen die kämpft er an. Es hilft, dass er seit mehr als einem Jahr wieder eine Beschäftigung hat: Er wirkt bei Bau der Nordbahntrasse mit.
Der Einstieg in den Berufsalltag nach langer Arbeitslosigkeit fiel ihm nicht schwer, doch das ist nicht bei allen Kollegen so: "Etwa 70 Prozent der Arbeiter kommen gerne hier hin", erklärt Wolfgang Reisner. Und weiter: "Viele sehen, dass der Job hier sinnvoll ist. Besser, als die ganze Zeit vorm Fernseher zu sitzen." Der 53-Jährige ist der "Anleiter" von Siegfried Krieger. Immer wieder bekommt er auch "1-Euro-Jobber" zugewiesen, die unter Zwang der Arge bei ihm antreten. Einige davon finden die Alternative vorm Fernseher attraktiver. Das sind die Jungspunde, die Siegfried Krieger meint, die "nicht aus’m Quark kommen". "Ich verstehe nicht, wie man hier erst um 9 Uhr auftauchen kann, wenn es doch um 7 Uhr losgeht", wundert sich "Siggi" Krieger.
Dass trotz des extrem niedrigen Lohnniveaus - eigentlich ist es gar kein Lohn, sondern eine Aufstockung der Sozialleistung; "Mehraufwandsentschädigung" auf Beamtendeutsch - nach Einschätzung von "Anleiter" Reisner 70 Prozent der Arbeiter an der Nordbahntrasse motiviert sind, liegt auch am Projekt selbst: "Es ist toll zu sehen, was in den letzten drei Jahren hier entstanden ist", ist Jan von Ohlen stolz.
Während der 27-jährige "1-Euro-Jobber" diesen Satz sagt, zieht eine Gruppe von Grundschulkindern auf ihrem Ausflug zur Trasse an ihm vorüber. "Das tägliche Feedback der Besucher wirkt Wunder", weiß auch Johann Wagner, Geschäftsführer des Wichernhauses.
Aber auch das zusätzliche Geld, wenn es auch nicht viel ist, ist Motivation: "Ich sag immer Haben oder nicht haben’", erklärt Siegfried Krieger in seiner ganz eigenen Art.
Nach Abzug aller Kosten bleiben ihm nur etwa 250 Euro zum Leben im Monat, sagter. Da seien die zusätzlichen 180 Euro durch die Arbeit an der Nordbahntrasse ein echtes Plus.