Gastbeitrag Gut Ding will Weile haben
Ein Plädoyer für längeren Atem und mehr Zukunfts-Phantasie in Sachen Stadtentwicklung in Wuppertal.
Wuppertal. Dass in der Öffentlichkeit bisweilen kontrovers über Stadtentwicklungsprojekte diskutiert wird, gehört dazu und ist bis zu einem gewissen Grade gut und wichtig. Allerdings können, wie in Wuppertal gelegentlich zu beobachten, solche Diskussionen auch die Grenzen des Konstruktiven überschreiten. Dann werden die Dinge erst mal aus Prinzip kaputt geredet, denn es ist ja leichter zu kritisieren als zum Gelingen beizutragen. Wenn sich ein Projekt trotz allem durchsetzt und zum Erfolg wird, ändert sich oft die Situation: Plötzlich wird bewundert, was man zuvor noch verhindern wollte. Gold wert für eine Stadt sind diejenigen Macher, die sich - kreativ, tatkräftig und weitsichtig - von Beginn an nicht beirren lassen, die mit langem Atem und Nehmerqualitäten am Ball bleiben.
Wuppertal ist reich an solchen Geschichten. Nehmen wir nur die vom Erfinder Eugen Langen entwickelte Schwebebahn. Bereits viele Jahre vor Inbetriebnahme im Jahre 1901 verdammten Gegner ihren Bau als „wahnsinniges Unterfangen“. Das Projekt bedeute „Gott zu versuchen“ und es sei „sündige Eitelkeit, sich solch schwebendem Satanswerk anzuvertrauen“. Wer lässt sich so etwas gerne vorwerfen? Und heute? Die Schwebebahn ist der Stadt wichtigstes Wahrzeichen. Oder blicken wir auf Pina Bausch, deren neuer Tanzstil noch in den siebziger Jahren schärfster Kritik ausgesetzt war. Kaum einer hat damals geahnt, welchen Weltruhm Pinas Wirken einmal nach sich ziehen würde. Heute sind alle stolz auf ihr Tanztheater.
Und es geht weiter: Was mussten sich der heutige Oberbürgermeister, die Ratsdamen und -herren und andere nicht alles anhören, nur weil sie mit dem Festhalten am Döppersberg-Projekt, der künftigen neuen Visitenkarte Wuppertals, Weitsicht und Stehvermögen bewiesen haben? Auch hier lässt sich schon erahnen, wie begeistert die Wuppertalerinnen und Wuppertaler spätestens ab dem Jahr 2018 über den neuen Bahnhofsvorplatz flanieren und von ihren seinerzeitigen Vorbehalten nichts mehr wissen wollen.
So war und ist das mit vielen wichtigen Entscheidungen und großen Pionierleistungen auf technischem, kulturellem und wirtschaftlichem Gebiet: Anfangs bläst den Machern der Wind hart ins Gesicht und erst im Nachhinein wird ihre Leistung zum Markenzeichen und Magneten für den Standort. Oder im Bild gesprochen: Typisch für große Erfolge ist ein mutig ins Wasser geworfener Stein. Zunächst entstehen nur kleine Kreise, die sich mit der Zeit jedoch ausweiten und an Sichtbarkeit gewinnen.
In Wuppertal wurden in jüngerer Zeit viele große Steine ins Wasser geworfen. Die entstehenden Kreise wollen oder können vielleicht noch nicht alle sehen. Doch bald werden sie unübersehbar sein und sich wechselseitig verstärken; wenn z.B. die kleinen Studenten der Junior Uni irgendwann zu Studierenden der „großen“ Wuppertaler Universität werden; wenn neue Arbeitgeber sich in Wuppertal ansiedeln, weil Stadt und Region zu einem pulsierenden Standort mit attraktiver Bildungslandschaft, guter Kaufkraft und toller Verkehrsanbindung geworden sind; wenn vermehrt Menschen aus Düsseldorf und dem Ruhrgebiet am Döppersberg ankommen, um in Wuppertal einzukaufen. Wer übrigens glaubt, dass ein Outletcenter am Bahnhof anderen Läden das Geschäft kaputt machen würde, täuscht sich. Vielmehr wird, ähnlich wie z.B. in Roermond, die zusätzliche Kaufkraft so hoch sein, dass davon genug in die ganz Stadt hineingezogen wird und alle profitieren.
Oder man stelle sich vor, wie das Image der Schwebebahnstadt demnächst noch durch eine moderne Seilbahn rauf zu den Südhöhen unterstrichen wird. Ein solches Verkehrsmittel könnte einer von 13 weiteren Steinen sein, die nach und nach im Zuge von „Wuppertal 2025“ ins Wasser geworfen werden. Einheimische, Pendler und Touristen wären sicherlich begeistert. Park and Ride-Konzepte könnten zusätzlich zu einer ökologischen Entlastung der Innenstadt beitragen. Ähnlich, wie die Nordbahntrasse, die jetzt schon weite Kreise zieht: Menschen, die noch nie einen Fuß auf Wuppertaler Boden gesetzt haben, kommen auf ihren Drahteseln, werden neugierig, verlassen die Trasse, machen Pause, besuchen den Skulpturenpark Tony Craggs, das Von der Heydt-Museum oder den Zoo.
Und das Beste ist, all diese Menschen, Investoren, Touristen, Studierende, Einkaufsbummler und Radler, werden anschließend dort, wo sie herkommen, positiv von unserer Stadt sprechen, in NRW, in Deutschland, im Ausland; und sie werden weitere Menschen anlocken und diese wieder andere.
So werden die Kreise größer und größer; Wuppertal wandelt sich zu einer modernen, weltoffenen Großstadt im Grünen, mit höchster Lebensqualität. Nein, das ist keine Illusion, entscheidend ist nur, dass Menschen weiter Steine ins Wasser werfen und sich von Dauermeckerern nicht abhalten lassen.
Wichtig ist auch, dass immer mehr Ehrenämtler Zivilcourage beweisen, wie ein Ernst-Andreas Ziegler, ein Rolf-Peter Rosenthal, ein Carsten Gerhard und viele andere schon jetzt.
Wünschen wir uns, dass noch mehr Bürgerinnen und Bürger Freude daran gewinnen, sich die Größe der Kreise viele Jahre später vorzustellen und daraus Motivation ziehen. Wie gesagt, gut Ding will Weile haben ... und mutige Macher!