Heiner Brand: „Die Fußballer haben es den Handballern vorgemacht“
Ex-Handball- Bundestrainer Heiner Brand über Nachwuchsförderung,den BHC und Motivation im Sport.
Wuppertal. Als Spieler und Trainer hat Heiner Brand in seinem Handballerleben alles erreicht. Er wurde Weltmeister als Spieler (1978) und Trainer (2007), vielfacher Deutscher Meister und Europapokalsieger. Jetzt ist er Nachwuchskoordinator beim Deutschen Handballbund. Darüber spricht der 59-Jährige am Mittwoch, 23. Mai, im Rahmen der Sportgespräche bei Hako in Vohwinkel. Die WZ unterhielt sich mit dem Gummersbacher vorab.
Herr Brand, wie oft denken Sie eigentlich noch an das Wintermärchen 2007 zurück, als sie Weltmeister im eigenen Land geworden sind?
Heiner Brand: Klar werde ich immer wieder darauf angesprochen und habe auch in meinen Vorträgen, die ich über Motivation und Teambildung halte, ein paar Bilder von damals eingebaut. Es ist aber nicht mehr so, dass ich davon träume. Ich bin bis heute nicht dazu gekommen, mir Fernsehbeiträge und Filme, die damals entstanden sind, mal in Ruhe anzuschauen.
Was ist seitdem passiert, dass die internationalen Erfolge der Nationalmannschaft ausgeblieben sind?
Brand: Danach sind wir ja immerhin noch einmal ins Halbfinale der EM gekommen, und bei Olympia sind mir dann fünf Rückraumspieler ausgefallen, das kann man nicht kompensieren. Tatsache ist aber, dass die Erfolge ab 2010 tatsächlich nicht mehr da waren. Das ist eben das Risiko im Welthandball. Auch andere Länder entwickeln sich ja weiter. Ich habe immer davor gewarnt, dass die Entwicklung einmal anders herum gehen kann, wenn man nicht gegensteuert und unsere Erfolge eher als positive Ausreißer gesehen.
Welche Entwicklung meinen Sie?
Brand: Dass jahrelang bei den Bundesligisten zu wenige junge Spieler den Weg nach oben geschafft haben oder aber zu spät. Das musste sich irgendwann rächen.
Damals haben Sie mit den Bundesligisten einige Sträuße wegen aus Ihrer Sicht zu geringer Nachwuchsförderung ausgefochten. Nun sind Sie DHB-Nachwuchskoordinator, hat sich bei den Bundesligisten etwas geändert?
Brand: Es gab ja auch schon damals einige Clubs, die versucht haben, junge Spieler einzubauen, andere aber eben gar nicht. Ich glaube schon, dass es durch das Nachwuchszertifikat (besitzt auch der BHC, Anm. der Red.), das der DHB nun vergibt, besser geworden ist. Ich habe aber auch die Hoffnung, dass das Beispiel des Fußballs etwas anschiebt. Dort hat man vor Jahren, als Erfolge ausblieben, richtige Konsequenzen gezogen und mehr auf Nachwuchsarbeit gesetzt.
Bleiben wir mal in der Region. Wie beurteilen Sie die Entwicklung beim Bergischen HC?
Brand: Ich bin, seitdem ich nicht mehr Bundestrainer bin, nicht mehr ganz nah an der Liga dran, aber nach allem, was ich gehört habe, sind die Rahmendaten dort okay. Nach der Hinserie bin ich auch fest davon ausgegangen, dass sie in der Liga bleiben. Wenn es nun eventuell um den direkten Wiederaufstieg gehen sollte, ist natürlich wichtig, dass mit einem ähnlichen Etat gearbeitet werden kann. Ohne die entsprechenden Rahmendaten läuft heute in keiner Sportart mehr etwas.
Werden wir Sie doch irgendwann wieder auf der Trainerbank sehen? Vielleicht ja einmal beim BHC, der ja um die Ecke liegt?
Brand: Das Thema Trainer ist für mich abgeschlossen. Das gilt sowohl für den VfL Gummersbach als auch für den BHC oder einen anderen Club. Meine neue Tätigkeit füllt mich voll aus. Ich bin mehr unterwegs als früher, habe mit allem, was Leistungssport im Handball ist, zu tun. Im Moment wird mir das zeitlich fast schon zu viel.
DHC Rheinland, HSG Düsseldorf, Korschenbroich — zuletzt sind einige Clubs aus der Region von der Bildfläche verschwunden. Was können Clubs wie der BHC davon lernen?
Brand: Die Fälle dort liegen sicher unterschiedlich. In Dormagen spielt eine Rolle, dass Bayer sich bis auf den Fußball aus der Spitzensportförderung weitgehend zurückgezogen hat, in Düsseldorf hatte es der Handball nie leicht. Da hat man lieber die Basketballer von Bayer Leverkusen gekauft. Generell ist die Situation in der 1. Liga doch so: Da ist der THW Kiel, der auch wirtschaftlich in einer eigenen Liga spielt und den Handball gut vermarkten kann. Dazu gibt es einige Clubs wie Hamburg oder die Rhein-Neckar Löwen, die über Mäzenatentum gut zurechtkommen. Alle anderen müssen sehr gut rechnen. Dass die Spielergehälter nach oben gegangen sind, war da sicher nicht hilfreich, dann können gefährliche Momente entstehen.
Haben Sie noch eine offizielle Funktion beim VfL Gummersbach, dem Sie seit 1959 angehören?
Brand: Nein, ich bin schlichtes Mitglied und Fan, seit ich 1996 dort als Trainer aufgehört habe.
Der VfL stand im Winter auf einem Abstiegsplatz, hat dann eine tolle Rückrunde gespielt. Inwieweit trauen Sie dem Club zu, auch mal wieder um die Deutsche Meisterschaft mitzuspielen?
Brand: Ich habe im Dezember noch gesagt, mit der Leistung haben die keine Chance, in der Liga zu bleiben. Die spielerische Entwicklung danach hat mich positiv überrascht. Die Voraussetzungen, was Fans und Sponsoren angeht, werden sich verbessern, wenn die neue Halle erst steht. Man kann aber nicht davon ausgehen, dass es dann für ganz oben reicht. Da haben die Nordclubs und andere Vereine mit Mäzenen doch Vorteile. Die Ausnahmestellung, die der VfL in den 70er und 80er Jahren innehatte, wird es für ihn mit Sicherheit nicht mehr geben.