Architektur Versteckte Schätze aus Schiefer

Beyenburg. · In Beyenburg lohnt sich ein genauer Blick auf Fassaden. Sie zeigen oftmals Kunstvolles.

Bruder Dirk vor einem Haus, in dessen Schieferfassade ein Kaiserwagen eingearbeitet wurde.

Foto: Schwartz, Anna (as)

„Sehen Sie, damals war noch alles weiß“, sagt Kreuzherr Bruder Dirk. Der Experte für Beyenburger Heimatkunde zeigt in seinem Büro im Kloster Beyenburg auf ein Foto aus dem Jahre 1890, auf dem sich die Häuser im beschaulichen Stadtteil noch weitgehend in hellem Sichtfachwerk präsentieren. „Und hier“, dabei zeigt der der Geistliche auf ein neuzeitliches Ortsbild, „ist alles schwarz, nämlich verschiefert.“

Die Erklärung kommt gleich hinterher: „Schiefer bedeutet Wohlstand, und der kam durch die Frühindustrialisierung und Fabriken wie das Papierwerk Erfurt, die Garnbleicherei oder das Metallwalzwerk am Ende des Stausees. Unternehmen, die den Beyenburgern Arbeit und Wohlstand gebracht haben, sodass man sich die Isolierung durch Schiefer leisten konnte. Denn Schiefer hält im Sommer die Hitze ab und speichert die Wärme im Winter. Vor allem wurden die Wetterseiten der Häuser verschiefert. Und wenn das von guten Handwerkern, wie den in Brilon und Elslohe ausgebildeten Beyenburger Dachdeckern gemacht wird, dann hält so eine Wand 100 Jahre“, weiß Bruder Dirk, dessen Familie schon seit 350 Jahren in Beyenburg ansässig ist.

Das Produkt aus dem Sauerland und dem rheinischen Schiefergebirge dient jedoch nicht allein der Hausverkleidung und der Isolierung, sondern ist auch ein Werkstoff für kleine Kunstwerke, wie der populäre letzte Kreuzherr auf einem Spaziergang anschaulich schildert. Hierbei zeigt er hinauf auf eine Hauswand, wo unter dem Giebel kunstvoll ein Segelschiff aus dem schwarz glänzenden Material prangt. Leider sind Bilder und Symbole aus Schiefer erst bei genauerem Hinsehen sichtbar, haben die Darstellungen doch den Nachteil, dass sie farblich mit den Schieferwänden Ton in Ton verschmelzen.

Ein Quadratmeter
kann bis zu 300 Euro kosten

„Vor zwei Jahren habe ich mal einen Lichtbildervortrag über die Kunst an den Schieferwänden gehalten, und da haben viele Zuhörer gestanden, dass ihnen das Segelschiff, die Rosetten oder die Sonnenblumen bisher noch gar nicht aufgefallen sind“, berichtet Bruder Dirk schmunzelnd. Diese Gefahr droht jedoch einem schiefernen Kunstwerk an der Wand eines Hauses in der malerischen Beyenburger Altstadt nicht. Das zeigt nämlich eine Schwebebahn, bei der sich der rote Kaiserwagen farblich ebenso vom schiefergrauen Umfeld abhebt wie die hellgraue Fahrschiene. „Die Idee dazu hatte eine Bekannte gehabt“, verrät Hauseigentümer Winfried Böhmer, der seine Verbundenheit zu Wuppertal vor etwa vier Jahren auf diese Weise dokumentieren ließ. „War ein teurer Spaß“, meint Böhmer, der seit 60 Jahren in Beyenburg wohnt, und fügt gleich hinzu: „Der Tuffi auf der Hauswand unterhalb war eine Idee des Rader Dachdeckers Rochold und ist vor zwei Jahren entstanden.“

Winfried Böhmer selbst wohnt ein paar Meter Luftlinie weiter in einem von einer Rosette verzierten „Herrenhaus“. „Nebenan war früher eine Kratzenfabrik, in der Geräte für die Stoffverarbeitung hergestellt wurden. Und das hier war das Herrenhaus“, schlägt Bruder Dirk noch ein kleines Kapitel Beyenburger Heimatkunde auf.

Dass Schiefer nicht nur ein Naturprodukt ist, sondern auch nur per Hand bearbeitet und bei der Hausverkleidung verwendet werden kann, macht den Werkstoff und seine Verarbeitung so teuer, wobei die Kosten pro Quadratmeter Fassadenverkleidung bis zu 300 Euro betragen können.

Bruder Dirk, der darauf hinweist, dass die Klosterkirche Beyenburg, Wuppertals ältestes Bauwerk, keine Schieferverkleidung hat und aus Grauwacke erbaut worden ist, hat noch einen höchst aktuellen Aspekt in Sachen Schiefer parat. „Wer mit Schiefer baut, benötigt kein Insektenhotel, denn hinter den Platten fühlen sich die schwirrenden und summenden Viecher sehr wohl.“