Weltgeschehen Israelische Sängerin in Wuppertal: „Deutschland war der sicherste Ort der Welt“
Für die jüdische Sängerin Hagit Noam ist das Reisen nicht mehr selbstverständlich.
Hagit Noam ist zierlich. Es grenzt an Magie, dass aus so einem schmächtigen Körper eine derart kräftige Stimme kommen kann. Aber so ist es. Hagit Noam ist Sängerin, klassisch ausgebildet, aber seit vielen Jahren mit alter Musik auf den Bühnen unterwegs, auch in Deutschland, das einmal ihre Wahlheimat war. Hagit Noam singt jüdische Lieder. Aus diesem Grund ist sie in diesen Tagen in Wuppertal gewesen. In der Kirche St. Laurentius gab es eine Maria-Magdalena-Ausstellung, ersonnen und konzipiert von Werner Kleine. Er ist Pastoralreferent der katholischen Citykirche. Und für ihn war klar: „In dieser Ausstellung muss Hagit Noam singen. Maria Magdalena ist schließlich eine jüdische Frau gewesen.“
Also Hagit Noam. Unter normalen Umständen wäre das eine Nachricht für die Randspalte. Es kommt zum Glück häufiger vor, das sehr renommierte Künstlerinnen und Künstler in der Großstadt Wuppertal gastieren. Aber in diesen Tagen ist alles anders, erst recht, wenn der Star aus Jerusalem anreist.
Hagit Noam ist Jüdin und Israelin. Und in dieser Konstellation ist Reisen nicht mehr das Selbstverständlichste der Welt. Der Nahe Osten ist kein Pulverfass mehr, die Ladung ist längst detoniert. Tausende von Toten, das Massaker der Hamas am 7. Oktober vergangenen Jahres, der Angriff der israelischen Armee auf Stellungen der Hamas im Gazastreifen, die vielen zivilen Opfer auf beiden Seiten, Not und Elend. Die Region ist aus den Fugen geraten. Und Hagit Noam tritt ihre Reise nach Deutschland an. „Das war einmal der sicherste Ort der Welt“, sagt sie. Vergangenheit. Ihre Wuppertaler Gastgeber haben Personenschutz für die Sängerin organisiert. Rund um die Uhr wachen ausgebildete Kräfte darüber, dass ihr niemand zu nahe kommt. Während der Veranstaltungen mit der zarten Frau aus Jerusalem haben Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden mehrere Augen auf den Ort der Veranstaltung. Inzwischen ist der Nahe Osten überall, auch in Deutschland. Die teils sehr undifferenzierten Proteste gegen Israel verunsichern die Juden, auch in Deutschland.
Deutsch bei den
Großeltern in Israel gelernt
Zwölf Jahre hat Hagit Noam in dem Land gelebt, dass ihr Vater in jungen Jahren auf der Flucht vor den braunen Schlächtern verlassen hatte. „Er hat nie wieder Deutsch gesprochen“, sagt sie. Dass sie die Sprache dennoch äußerst gut beherrscht, verdankt sie ihren Großeltern. Wann immer sie in Israel zu ihnen ging, gab es Kaffee, Kuchen und Geschichten auf Deutsch. „So habe ich die Sprache gelernt.“
Ein Leben als Jüdin oder Jude in Deutschland ist immer auch ein Leben mit der dunkelsten Geschichte des Landes der Dichter und Denker. „Natürlich habe ich mich immer gefragt, ob der ältere Mensch mir gegenüber vielleicht ein Täter war“, sagt Noam. Dass sie dennoch mehr als zehn Jahre blieb, hat mit ihrem deutschen Mann zu tun, dem Vater ihrer Tochter, und mit dem Gefühl, dass dieses Land für Juden ein sehr sicheres geworden war.
„Jetzt ist Chaos“, sagt Hagit Noam. Zu den deutschen Judenhassern gesellen sich Moslems, die den Konflikt im Nahen Osten nach Deutschland tragen. Die Sängerin fühlt sich nicht mehr sicher. Dabei gehört sie selbst nach dem 7. Oktober 2023 nicht zu jenen Menschen in Israel, die den Moslems und den Arabern nicht mehr die Hand zur Versöhnung reichen will. Wenn sich die Gelegenheit zum Gespräch ergibt, ergreift die Künstlerin sie. Und oft lernt sie dabei, dass Verständigung möglich sein könnte, dass miteinander reden helfen kann, einander zu verstehen. In solchen Momenten bedauert die Frau aus Jerusalem, dass Israelis Hebräisch lernen, aber nicht Arabisch. „Die Araber in Israel verstehen unsere Sprache, wir aber nicht ihre“, sagt sie. Das macht den Alltag in diesen turbulenten Zeiten besonders schwierig. In Jerusalem wohnt Hagit Noam nahe einem arabischen Dorf, auf ihrer Joggingstrecke kommt sie häufiger an Gruppen von Arabern vorbei. Nicht zu verstehen, was die Leute miteinander besprechen, verunsichert die Israelin. Und dieses Gefühl begleitet Hagit Noam mittlerweile auch auf ihre Reisen, beispielsweise nach Deutschland. Der 7. Oktober habe alles noch viel komplizierter gemacht, sagt sie. „Das Vertrauen ist erschüttert.“
Aufhören, Unterschiede
zwischen Religionen zu machen
Hass spaltet einerseits, andererseits verbindet er. In Israel sind mittlerweile viele liberal denkende Bürger ins Lager derer übergelaufen, die im Gespräch mit den Moslems nicht mehr viel Aussicht auf Erfolg sehen. Hagit Noam aber will ihre Hoffnung nicht aufgeben. „Ich bin ein friedlicher Mensch. Und wir sollten endlich aufhören, Unterschiede zu machen zwischen den Religionen.“
Ihre Reise zum nächsten Auftritt begleiten die Wuppertaler Sicherheitsleute, bis sich die Tür des Zimmers hinter der Sängerin aus Jerusalem schließt.