Konzert Junge Autorin fesselt mit ihrer Geschichte über eine Außenseiterin
Wuppertal · Lana Lux las im Stadthaus aus ihrem Debütroman. Der enthält „Sprenkel“ ihrer Biografie.
Armut, Ausbeutung, Gewalt – „Kukolka“ von Lana Lux ist harter Lesestoff. Dabei legt es die junge Berliner Autorin nicht auf Provokation an. Die Sprache ihres Debütromans ist nüchtern, der Humor nicht zu übersehen. Sie habe Normalität beschreiben wollen, sagte Lux bei ihrer Lesung im Rahmen der Jüdischen Kulturtage. Die Normalität von Menschen, die am Rande der post-sowjetischen Gesellschaft leben.
Als Waisenkind ist Samira, die Erzählerin von „Kukolka“, eine geborene Außenseiterin. Mit sieben Jahren reißt sie aus. Deutschland ist das Land ihrer Träume. Doch die Suche nach Freiheit und Wohlstand endet immer wieder in einer Sackgasse, eine schrecklicher als die andere.
Bei der Veranstaltung im Katholischen Stadthaus war Matei Chihaia Gesprächspartner der Autorin. Den Wuppertaler Literatur-Professor kann man sich als professionell abgeklärten Leser vorstellen. Seiner Begeisterung für „Kukolka“ ließ er jedoch freien Lauf. „Ich war so drin in der Welt, und die Stimme der Erzählerin war so authentisch.“ Deshalb lag für ihn die Frage nach dem Verhältnis von Erzählerin und Autorin auf der Hand.
Lux ging gern darauf ein. „Es sind Sprenkel meiner Biografie drin.“ Wie Samira ist sie in der Ukraine geboren und als Kind nach Deutschland gekommen. Doch da trennen sich die Wege auch schon wieder. Während Samira bitter enttäuscht wird, berichtete die Tochter jüdischer Kontingentflüchtlinge gut gelaunt von der Zeit im Auffanglager in Unna-Massen. „Es war großartig. Ich habe es geliebt.“
Schon vor der Ankunft in Deutschland hat sie das Schreiben geliebt. In ihrer Muttersprache Russisch entstanden erste Gedichte und Tagebücher, auf Deutsch ging es bruchlos weiter. Bis heute ist das Internet ein Ort für ihre Literatur. Überhaupt – ohne die sozialen Medien, berichtete sie, hätte sie den Vertrag über das erste Buch nicht bekommen.
Lux weiß, wie sie mit dem Live-Publikum umgehen muss
Dank ihrer Schauspielausbildung weiß Lux, wie man ein Live-Publikum fesselt. Aus dem Buch griff sie entscheidende Stationen ihrer Heldin heraus. Samira im Heim, der Willkür der Erzieherinnen ausgeliefert. Samira als Bettlerin, beschützt und zugleich klein gehalten vom Kleinkriminellen Rocky. Samira als Teenager in Berlin.
Der sanften Kleinmädchenstimme setzte die Vorleserin die dominant-aggressiven Stimmen der Erwachsenen entgegen. Ungezwungen suchte sie den Kontakt mit ihren Zuhörern, entschied „nach Bauchgefühl“, was sie las, und ließ augenzwinkernd ihre Lieblingsszene weg. „Die lese ich nicht. Die lest ihr selber.“
Das Publikum war mehr als angetan. Sie selbst sei in einem Kinderheim aufgewachsen, sagte eine Zuhörerin. Deshalb hätten sie die Szenen aus dem Waisenhaus „sehr berührt“.
Spannend war auch der zweite Teil der Diskussion zwischen Lux und Chihaia, die auf die Themen Herkunft und Identität zusteuerte. Bewusst hat die Autorin den Künstlernamen Lana Lux angenommen. Sie sei es leid gewesen, ständig auf ihren russischen Namen angesprochen zu werden.
Chihaia fragte auch nach ihrer jüdischen Identität. „Ich möchte mich nicht religiös nennen“, antwortete Lux. Aber an bestimmten Traditionen halte sie fest. Den Sabbat feiere sie – wenn auch nicht nach orthodoxem Ritus. „Dann habe ich mein Telefon und meinen Computer nicht an und mache keine Fotos. Ich glaube, es ist gut, einen Tag in der Woche runterzuschalten.“