Kinderarmut bewegt Bürger
Aktiv werden gegen Armut bei Kindern, das will SPD-Politikerin Sanda Grätz. Sie begann mit einer Diskussionsveranstaltung.
Wuppertal. Jedes dritte Kind in Wuppertal ist arm - das will SPD-Politikerin Sanda Grätz nicht hinnehmen. Und zahlreiche Wuppertaler, die ihrem Aufruf zu einer Diskussionsveranstaltung folgten, auch nicht. Über Gründe und mögliche Strategien diskutierten rund 50 Teilnehmer mit Vertretern von Politik und sozialen Organisation im Saal der Evangelischen Kinder-, Jugend- und Familienhilfe. Die Moderation hatte der SPD-Bundestagskandidat Helge Lindh. Weitere Veranstaltungen sollen folgen.
Sozialdezernent Stefan Kühn bestätigte die Zahl, die Sanda Grätz so beschäftigt: 27 Prozent aller Kinder in Wuppertal leben in Familien, die Hartz IV beziehen.“ Dazu kämen Familien, die Arbeitslosengeld oder Geld nach dem Asylbewerbeleistungsgesetz beziehen und Familien, die viel arbeiten und trotzdem sehr wenig Geld haben. „Deshalb ist es eine gute Schätzung, dass in Wuppertal jedes dritte Kind in Armut aufwächst.“
Bärbel Hoffmann, Leiterin der Evangelischen Kinder-, Jugend- und Familienhilfe, und Ulrike Klewer, Ehrenamtliche von der Kindertafel, schilderten, dass sie Probleme bei den Familien insgesamt wahrnehmen, dass Armut nicht nur materielle Not bedeute: „Ich sehe Armut im sozialen Bereich, sehe Familien, denen gar nicht bewusst ist, dass sie ihren Kindern Förderung anbieten könnten“, berichte Ulrike Klewer.
Renate Warnecke (SPD) sprach als Vorsitzende des Vereins „Schulmittagessen“ und berichtete, dass es auch Eltern gibt, die das Angebot des Vereins nicht wahrnehmen, einen Zuschuss zum Schulmittagessen zu zahlen. Das brachte das Gespräch auf die dafür nötigen Anträge nach dem Bildungs- und Teilhabegesetz für Schulmittagessen, Nachhilfe oder Ausflüge, die für viele Eltern eine große Hürde darstellten.
Einhellig wurden sie als viel zu aufwendig beschrieben. Bärbel Hoffmann schlug in dem Zusammenhang vor, Nachhilfe direkt in der Schule anzubieten, so dass sie nicht extra beantragt werden muss.
Auf dem Podium war man sich einig, dass Kitas und die Betreuung an Schulen wichtig für Kinder sind, deren Eltern nicht viel Unterstützung geben können. Aus dem Publikum kamen Anmerkungen, dass die Öffnungszeiten von Kitas nicht ausreichen, aber auch kritische Stimmen, die vor zu umfangreicher Betreuung warnten.
Der SPD-Landtagsabgeordnete Josef Neumann hielt ein leidenschaftliches Plädoyer für einen gesellschaftlichen Wandel: „Solange Armut akzeptiert wird, wird es auch Armut geben.“ Wichtig seien Bildung, Prävention und „Arbeit, von der man leben kann“. Sozialdezernent Kühn stimmt ihm zu: Kinder bräuchten Eltern, die Arbeit haben, aber auch eine gute Kinderbetreuung, um Arbeit zu ermöglichen — daher müsse Wuppertal Kitas und Offene Ganztagsschulen weiter ausbauen.
Diakoniedirektor Martin Hamburger mahnte eine sinnvolle Verwendung des Geldes an: „Es ist viel Geld im System.“ Er erlebe immer neue Programme, die aber die Probleme nicht lösten. „Wir müssen beides: aktuelle Not lindern und die Strukturen ändern.“
Sanda Grätz forderte am Ende der Veranstaltung auf, über die Parteigrenzen hinweg aktiv zu werden: „Wir müssen alle Kräfte zusammenbringen.“ Sie will noch vor Weihnachten ein nächstes Treffen organisieren: „Dann überlegen wir, wie wir vorgehen.“