Kleingarten, das ist wie der Urlaub vor der eigen Haustür
Das Feiern haben die Kleingärtner in Hansa Eschenbeek auch nach 90 Jahren noch längst nicht verlernt.
Wuppertal. Auf dem Weg zum Sommerfest des Kleingartenvereins Hansa Eschenbeek in der Eschenbeeker Straße kommt man nicht weit: Am Eingang wartet ein Junge, Can, mit einem großen Teller voller Schnurrad-Lose. Schwierig, da nein zu sagen.
Der dreijährige Milan darf das Rad drehen - der zweite und der dritte Preis gehen beide an Christian Wahlmann. Zusammen mit seiner Familie ist er aus der nahen Vogelsangstraße zum Sommerfest der Kleingärtner gekommen und hat nun also ein Dominospiel und ein kleines Kinderspielzeug gewonnen.
Die Feststätte ist einfach zu finden: Zwischen den sorgfältig bepflanzten Gartenparzellen ragen passend zum feuchten Wetter Pavillons und Zelte hervor, darüber spannen sich Fähnchen und eine Lichterkette. Die winzige Bühne ist mit aufblasbaren Gitarren dekoriert und im Teich daneben thront eine Ente auf der Terrasse ihres kleinen Hauses. Es geht familiär zu: Würstchen und Kuchen, Dosenwerfen, ein Nistkastenverkäufer und dazwischen jede Menge Bierzeltgarnituren. Die Kleingärtner duzen sich untereinander, dazu kommen Gäste aus den umliegenden Straßen. Im Hintergrund läuft "Ein Stern" von DJ Ötzi.
90 Jahre wird der Kleingärtnerverein dieses Jahr alt. Der erste Vorsitzende, Christian Sennlaub, stellt klar, dass er von dem Spießer-Image, das Kleingärtnern immer noch anhaftet, nicht viel hält. Regeln gibt es in der Satzung genug: Die Hecken dürfen höchstens 1,20 Meter hoch sein, je ein Drittel der Parzelle muss Nutz- und Ziergarten sein, Übernachtungen sind nicht gestattet. "Ich lass sieben gerade sein", sagt Sennlaub - dementsprechend sehen die zwischen 200 und 300 Quadratmeter großen Parzellen gepflegt, aber nicht penibel aus.
Jutta Pralle ist seit 1966 bei der Hansa aktiv. "Ich pflanze alles, was Schnecken und Rehe mögen", sagt sie lachend. Radieschen, Kartoffeln und Salat wachsen in ihrem Garten, in dem sie fast jeden Tag Zeit verbringt.
Aber auch jüngere Familien, die nur abends oder am Wochenende kommen, sind am Eschenbeek zahlreich vertreten. Sennlaub spricht von "Urlaub zu Hause". Mit 200 bis 250 Euro Kosten jährlich sei ein Kleingarten die preiswerteste Freizeitmöglichkeit - verglichen etwa mit einem Wohnwagen. Sema Semayazgan ist erst vor vier Monaten zur Kleingärtnerin geworden. Sie lebt im vierten Stock, ihre Hunde Djasch und Contess brauchen Auslauf. Früher wäre sie nie auf die Idee gekommen, einen Kleingarten zu pachten. "Seit ich in einer größeren Stadt wohne, weiß ich warum", sagt sie.
Das ist nicht unbedingt typisch: So manch ein Kleingärtner hat einen eigenen Garten zu Hause und pachtet die Parzelle, um dem Alltag zu entfliehen und abzuschalten. Dazu kommt das Vereinsleben. Abgesehen von den Pflichtstunden, die jeder Kleingärtner laut Satzung für die Gemeinschaft leisten muss, engagiert sich über die Hälfte der Mitglieder bei den gemeinsamen Festen.
Die Damen treffen sich im Kniffel-Club und mit den Hansapiepern hat der Verein sogar einen eigenen Chor. Allein Sennlaub widmet jede Woche etwa 20 Stunden seinem Ehrenamt - und steht dabei noch voll im Berufsleben. Seine dreizehnjährige Enkelin Leonie verbringt ebenfalls viel Zeit in der Anlage und weiß schon, dass sie irgendwann auch einen Kleingarten haben möchte.
Milan ist inzwischen mit dem Schnurrad-Drehen fertig. Seine Oma führt ihren Garten vor: Gleich zwei Terrassen hat sie, dekoriert mit Rosenkugeln, einem Vogelbad und Kinderspielzeug. Ganz oben am Hang liegt ihre Parzelle, der Blick auf Wuppertals grüne Hänge ist wunderschön. Die nahe Elberfelder Innenstadt scheint meilenweit weg zu sein.