Kooperation Kontrabass, Cello, Geige und Oboe zu Besuch
Elberfeld. · Das Sinfonieorchester Wuppertal und der Kulturkindergarten an der Nordbahntrasse starten eine musikalische Kooperation.
Dieses Instrument ist groß, je nach Perspektive sogar riesig. Und es hat eine eigene Erkennungsmelodie. Dietmar Wehr nimmt den Bogen, führt ihn über den kunstvoll geschwungenen Holzkörper, den er vor sich aufgestellt hat. Tiefe, leicht brummende Töne erklingen und die kleinen Kinder um ihn herum kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Als er dann auch noch „Drei Chinesen mit dem Kontrabass…“ anstimmt, ist ihm die Aufmerksamkeit fast aller Mitglieder der orangefarbenen Gruppe sicher. Dietmar Wehr ist Musiker des Sinfonieorchesters Wuppertal und an diesem Montagmorgen mit drei Kolleginnen Gast im Kulturkindergarten an der Nordbahntrasse. Beginn einer neuen Kooperation der beiden Einrichtungen, die am 27. September mit einem (Kultur-)Gartenkonzert offiziell eingeweiht wird.
Seit Januar ist der Kulturkindergarten in dem modernen Gebäude zwischen Juliusstraße und Trasse zu Hause. 100 Kinder im Alter von vier Monaten bis sechs Jahren werden von 18 Erzieherinnen in fünf nach Farben benannten Gruppen nach den Ideen der Reggio-Pädagogik betreut. Die, so Leiterin Astrid Ippig, wurde in der norditalienischen Stadt nach dem Krieg entwickelt und strebt an, Kinder zu Demokratiebewusstsein und Kunst zu führen. Das Gebäude ist in L-Form parallel zur Trasse angelegt worden, verfügt im Inneren über eine Piazza als großem Treffpunkt, die einzelnen Gruppen sind in „Häusern“ untergebracht, ihnen gegenüber liegen verschiedene Werkstatträume.
Jeder Tag beginnt in der hohen, zur Trasse mit bodentiefen Fenstern geöffneten Halle der Piazza. Björn Krüger, Musikpädagoge und Gründer der Wuppertaler Kultband Uncle Ho, trommelt sanft auf der Steel Drum, Öffnungssignal des Stuhlkreises.
Musik ist ein Angebot, das die Kinder annehmen können
Die Erzieherinnen kommen, jede mit ihren Kindern, nacheinander in den hohen Raum, setzen sich ruhig auf den Boden. Krüger stimmt das „Guten Morgen-Lied“ an und begrüßt die musikalischen Gäste, die an diesem Montagmorgen gekommen sind: Dietmar Wehr (Kontrabass), Vera Milicevic (Cello), Adelheid Riehle (Geige) und Stephanie Schwartz (Oboe) haben ihre Instrumente und natürlich Musik mitgebracht. Zwei Stücke von Mozart, weil dieser „hochklassige und eingängige Melodien komponiert hat“, erklärt Heike Henoch vom Education Team der Sinfoniker. Die Kinder machen große Augen, hören ganz aufmerksam zu, wollen mehr Musik. Sie werden mit zwei Liedern belohnt, die sie kennen: Ihr „Farbenkinderlied“, das die vier Musiker in eine klassische Form gefasst haben, und das „Guten Morgen-Lied“, das sie in einem getragenen Jazz-Rhythmus vortragen. Die Freude ist groß, besonders, als die Kinder die Lieder erkennen. Sie klatschen, tanzen oder wiegen sich im Rhythmus, applaudieren wie bei einem „Erwachsenen“-Konzert. Das endet mit dem Versprechen, dass die vier Musiker in den Gruppen ihre Instrumente vorstellen und in regelmäßigen Abständen Orchestermusiker in den Kindergarten kommen.
Es ist eine Win-win-Situation: Die Sinfoniker wollen erklärtermaßen „da sein, wo die Menschen sind“, erzählt Henoch zum Engagement des Orchesters, das dieses erstmals in einen Kindergarten führt. Ein Kindergarten, dessen pädagogisches Konzept, so Henoch, einfach zum Musikmachen passe. Der Kindergarten wiederum, erklärt Astrid Ippig, wolle Kultur im Alltag der Kinder verankern, die Begleiter durch den Tag, kein Event sein soll. Die Kinder entscheiden selbst, wie sie reagieren – ob sie zuhören, mitmachen oder etwas anderes tun. Und so kommt Björn Krüger an drei Tagen in der Woche in den Kindergarten, dichtet und singt mit ihnen Lieder in verschiedenen Sprachen, übt ein Pianistenpaar am 100 Jahre alten Flügel im Haus, kooperierte man im vergangenen Jahr mit der Designerin Anne Jonas-Ulbrich, bereitet man eine Zusammenarbeit mit der Künstlerin Dörte Bald vor.
Bezahlt wird das Angebot über Spenden, damit Kultur nicht elitär, sondern für alle Kinder in der Nordstadt erfahrbar ist. „Wir wollen keine Ghettoisierung, weder in die eine noch in die andere Richtung. Wir wollen Treffpunkt im Viertel sein, in den Sozialraum wirken“, sagt Ippig entschieden. Und ergänzt: „Seit dem Pisa-Schock sind Kindergärten sehr kognitiv unterwegs, wir wollen das drehen und über Beziehungen und soziales Lernen Kinder neugierig machen, so dass sie Konzentration durch Lust und Begeisterung lernen.“