Serie: Das Handwerk hat Zukunft Kreishandwerksmeister Arnd Krüger will Akademiker ansprechen
Herr Krüger, Sie sind Inhaber eines Wuppertaler Glasbau-Unternehmens. Bekommen Sie den Fachkräftemangel zu spüren?
Arnd Krüger: Und wie. Ich habe jetzt gerade ganz frisch einen Gesellen gesucht. Es gibt aber in unserem Berufszweig derzeit keinen Gesellen, der sucht. Keinen. Nur ein riesiger Zufall hat verhindert, dass die Stelle nicht unbesetzt geblieben ist.
Wie kann das sein?
Kürger: Wir haben noch immer — trotz unserer großen Imagekampagne — ein Wahrnehmungsproblem.
Inwiefern?
Krüger: Seit der Pisa-Studie denken viele Menschen, dass zu den Bildungsverlierern gehört, wer „nur“ eine handwerkliche Ausbildung macht. Als hätte man nicht den vollen Erfolg gehabt und einen Seitenausweg genommen.
Was setzen Sie dem entgegen?
Krüger: Wir sagen: Das ist alles ganz anders. Jeder muss nach seinen Fähigkeiten gefördert und gefordert werden. Die Uni ist nicht für jeden automatisch der richtige Weg. Nicht umsonst brechen rund 30 Prozent der Studenten nach zwei bis drei Semestern ab. Das sind genau die Menschen, die wir fürs Handwerk gewinnen wollen.
Warum ist das so wichtig?
Krüger: Wir bekommen derzeit einfach nicht die Qualität an Bewerbern, die wir benötigen. Da geht es nicht nur um Noten. Häufig fehlt es auch an sozialer Kompetenz. Handwerker haben unmittelbaren Kundenkontakt, daher sind wir darauf angewiesen, dass wir nette Menschen in unsere Berufe bekommen. Manchmal betreiben wir im ersten Monat der Lehre regelrecht Sozialarbeit und müssen zunächst einmal Dinge wie Pünktlichkeit etablieren.
Herr Conrad, was können Sie als Malermeister den jungen Leuten bieten?
Andreas Conrad: Bei uns sind diejenigen richtig, die schulmüde sind. Gerade der Malerberuf fördert direkte Erfolgserlebnisse. Am Ende des Tages haben die Lehrlinge etwas vorzuweisen und bekommen unmittelbar das Glücksgefühl der Kunden zu spüren. Das gibt es in der Uni nicht. Da freut sich höchstens mal der Professor.
Einige glauben wohl, dass sie eine Ausbildung unterfordert...
Krüger: Dabei fängt handwerkliche Arbeit mit dem Kopf an. Jedes Gewerk muss sich vorher ganz genau überlegen, was getan werden muss. Und durch die Digitalisierung nehmen die Ansprüche in vielen Bereichen stetig zu.
Herr Dahlmann, trifft das auch auf ihren Bereich, die Sanitär- und Heizungstechnik, zu?
Holger Dahlmann: Auch wenn man in dem Beruf oft anpacken muss, brauchen wir Leute, die rechnen können. Mittlerweile kann es sein, dass wir stundenlang nichts anderes tun, als eine Heizungsanlage zu programmieren. Die Technik im Haus wird immer vernetzter. In den vergangenen fünf Jahren hat die Digitalisierung da wahnsinnig angezogen.
Handwerk und schulische Weiterbildung müssen sich doch auch nicht ausschließen, oder?
Krüger: Auf keinen Fall. Die berufliche Ausbildung ist keine Sackgasse. Das ist eher der Startblock für eine weitere individuelle Zukunft. Es gibt neben den dualen Studiengängen, sogar triale Studiengänge, die etwa in Mönchengladbach angeboten werden. Da machen die Anwärter gleichzeitig ihren Bachelor, den Gesellen und den Meister.
Welche handwerklichen Berufe liegen denn bei den Schülern, die einen Ausbildungsplatz suchen, besonders schlecht im Kurs?
Krüger: Unsere Problemkinder sind etwa die Berufe des Zimmermanns, des Dachdeckers und des Fleischers. Die sind offenbar auf den ersten Blick nicht so attraktiv.
Und auf den zweiten Blick?
Krüger: Als Fleischer etwa kann man auch sehr kreativ arbeiten und steht nicht den ganzen Tag in der Wurstküche, wie viele das glauben. Jeder Beruf hat seine Chancen. Das Problem ist, dass viele junge Leute gar kein Gefühl mehr für solche klassischen Berufe haben. Was macht etwa ein Friseur? Da sagen viele: Der wäscht, föhnt und schneidet die Haare. Das ist ein großes Problem. Die Kinder sehen überhaupt nicht die Möglichkeiten, die ihnen offen stehen. Daher ist es wichtig für uns, in die Schulen zu gehen und zu zeigen, was wir machen und welche Chancen die Ausbildung bereithält.
Nicht nur für Hauptschüler. . .
Krüger: Einer unserer besten Auszubildenden hat nach dem Abitur eine Lehre in einem Kfz-Betrieb gemacht. Das ist genau sein Ding und er hat es durchgezogen. Ich finde, das zeigt doch gerade, dass jemand die Gabe hat, sein Talent zu erkennen und erfolgreich seinen Weg zu gehen. Sascha Bomann: Ich als Leiter für Berufsausbildung der Kreishandwerkerschaft hätte da noch ein Paradebeispiel, das zeigt, wie es laufen kann: Ein Abiturient mit Migrationshintergrund sollte, weil es seinen Eltern so wichtig war, unbedingt studieren. Das war aber gar nichts für ihn. Später hat er das Studium abgebrochen und seinen Meister als Anlagenmechaniker für Sanitär- und Heizungsanlagen gemacht. Der ist jetzt glücklicher und zufriedener denn je.