Wuppertaler Wendepunkte Kreishandwerksmeister für Solingen und Wuppertal: „Wir sind keine Tanker, wir sind Schnellboote“ (mit Podcast)
Wuppertal · Handwerker sind an der Umsetzung der Energiewende beteiligt. Kreishandwerksmeister Arnd Krüger spricht in den Wuppertaler Wendepunkten darüber.
Etwa 6500 Betriebe, 20 000 Mitarbeiter, 1500 Auszubildende und ein Umsatz von jährlich 2,5 Milliarden Euro – die Handwerkerschaft in der Region kann sich sehen lassen. Ihr Sprecher ist Arnd Krüger, Kreishandwerksmeister Solingen-Wuppertal. Im Rahmen der WZ-Serie Wuppertaler Wendepunkte hat er sich den Fragen von Chefredakteur Lothar Leuschen gestellt. Die Energiewende wird maßgeblich von der Handwerkerschaft vorangetrieben. Wer Energie einsparen und produzieren will, kommt an Themen wie Wärmedämmung, Wärmepumpen, Fotovoltaikanlagen und Co. nicht vorbei. Scheinbar banale Dinge wie Fenster und Türen haben damit eine ganz neue Bedeutung gewonnen. Auf die Betriebe trifft nun mit voller Wucht eine ganz neue Erwartungshaltung. „Wenn wir 2035 – wobei ich das mehr als Ansporn und Wunschvorstellung ansehe – klimaneutral sein wollen, dann muss uns auch klar sein, dass es Menschen geben muss, die diesen Weg beschreiten. Und da sind wir maßgeblich beteiligt. Das Handwerk hat schon immer Lösungen für Probleme vorgegeben“, sagt Krüger.
An dieser Stelle muss allerdings auch erwähnt werden, dass der demografische Wandel mit voller Wucht zuschlägt. Es ist nicht genug Personal da, um die aktuellen Themen ohne weiteres umzusetzen. Schon während Corona haben die Wuppertaler viel Geld in die Hand genommen und es in das private Umfeld gesteckt. Zum einen wurde verschönert. Zum anderen haben sich da schon viele Menschen dem Energie-Thema gewidmet und Lösungen fürs Eigenheim realisiert – alles mit Hilfe von Handwerkern. Mit Beginn des Ukrainekriegs und der damit einhergehenden Energiekrise hat sich die Nachfrage noch einmal um ein Vielfaches verstärkt. „Die Nachfrage unterliegt Schwankungen, das haben wir bereits während Corona merken müssen. Damals waren es die gestörten Lieferketten. Da hat das Handwerk schon in schwierigem Wasser gelebt. Mit dem Ukraine-Krieg haben wir erst gemerkt, wie viele Materialien aus der Ukraine in unsere Märkte kommen. Vieles war oder ist nicht verfügbar oder wenn, dann zu wesentlich höheren Preisen“, erklärt Krüger. Gemeinsam mit dem Fachkräftemangel, der nicht nur das Handwerk betrifft, führt das zu immensen Problemen bei der Umsetzung der Energiewende.
Diese Probleme liegen für den Kreishandwerksmeister klar auf dem Tisch. An den Lösungen allerdings wird ihm nicht schnell genug gearbeitet. „Alle Branchen suchen händeringend Mitarbeiter. Da frage ich mich zum einen: Wo sind denn alle? Zum anderen fehlt mir in der Gesellschaft der Wille, die Probleme richtig auszusprechen und zu sagen, dass das ein Riesenthema ist. Und es fehlt der Wille, diese Themen in der Breite der Gesellschaft zu diskutieren“, sagt er. Er fordert eine Debatte darüber, was getan werden muss, um die jungen Leute in die Duale Ausbildung zu bekommen. Und dass dieser Schritt nicht einhergeht mit einem Statusverlust. „Uns muss klar sein: Ohne Handwerker wird das Szenario, von dem viele Träumen, nicht umsetzbar sein“, sagt er. Hitze, Kälte, Wärme, Nässen, körperliche Anstrengung im Handwerk – all das könnte auf Jugendliche abschreckend wirken. „Aber der technische Hintergrund, der bei vielen Handwerksberufen gefordert wird, ist doch sehr interessant. Zudem gibt es die Chancen, mit vielen Berufen im Handwerk Nachhaltigkeit, Umweltschutz, Kreislaufwirtschaft umzusetzen. Das sind die Themen, die uns bewegen. Es gibt die Fridays for Future-Leute, die sich an Straßen festkleben oder Kartoffelbrei auf Van-Gogh-Bilder werfen – sie alle verlangen eine Veränderung unserer Welt. Ich verstehe aber nicht, dass damit kein Anreiz entsteht, dabei auch mitzuhelfen. Dabei sind zig Gewerke an der Umsetzung der Energiewende beteiligt“, sagt Krüger.
Die Frage bleibt also, wie junge Leute für das Handwerk begeistert werden können. Die Kreishandwerkerschaft hat bereits viele Formate etabliert, um sich in den Schulen vorzustellen. „Wir treffen aber scheinbar nicht den Nerv der jungen Menschen. Wir werden aber nicht nachlassen. Wir brauchen engagierte und intelligente junge Leute. Denn bei der Energiewende sind gute Lösungen gefragt“, sagt er. Dabei könnte Krüger sich auch vorstellen, dass die Politik mehr Möglichkeiten schaffen muss. „Es gab schon einmal den Vorschlag, dass es ähnlich dem sozialen Jahr ein handwerkliches Jahr gibt, um junge Menschen in die Betriebe zu ziehen und ihnen die Abläufe zu zeigen und sie mit unseren Aufgaben vertraut zu machen“, sagt er. Er könnte sich zudem vorstellen, dass die kleine Struktur vieler Betriebe auf Jugendliche abschreckend wirkt, weil sie denken, dass dort die Sicherheit nicht da ist, die sich viele wünschen. Doch mit diesem Vorurteil räumt er auf: „Wir sind klein und flexibel. Wir sind keine Tanker, wir sind Schnellboote. Wir können schnell auf geänderte Rahmenbedingungen reagieren und der Zusammenhalt in kleineren Betrieben ist groß und die Zukunft ist sicher.“ Und die Zahlen geben ihm recht: Die Betriebe in Solingen und Wuppertal haben eine Auslastung von über 120 Prozent. Viele werden mit Anfragen überschüttet, die sie bei Weitem nicht abarbeiten können. Auch weil nach wie vor Lieferprobleme bestehen. Die Hersteller von Wärmepumpen und Co. kommen mit der Produktion nicht mehr nach.