Wupper-Topia: Schüler des Berufskollegs Kohlstraße und der Gesamtschule Langerfeld erarbeiten mit Künstlern eine Utopie von Wuppertal Fragen an eine Stadt: Was brauchen junge Menschen, um ihre Träume zu realisieren?
Wuppertal · Wie sieht die Stadt im Jahr 2030 aus? Wie soll das Pina Bausch Zentrum gestaltet werden? Dies und vieles mehr beantworteten die jungen Wuppertaler mit Michael Carter und Gala Moody.
Das Pina Bausch Zentrum soll ein Platz werden, der viele Menschen anspricht. „Das inhaltliche Konzept verbindet Tradition und Aufbruch, künstlerische Exzellenz und demokratisches Kunstverständnis, internationale Strahlkraft und Einbindung der Stadtgesellschaft“, heißt es auf der Homepage. Um zu erfahren, was Jugendliche sich von diesem Ort wünschen, haben sich die Tänzer und Projektleiter Gala Moody und Michael Carter von Cie.Ofen das Symposium „Wupper-Topia“ ausgedacht. Über zwei Wochen erarbeiteten sie im Rahmen des Festivals „Under construction“, das vom 21. bis 29. November stattfand, einen Film, der die Ideen von Schülern des Berufskollegs Kohlstraße und der Gesamtschule Langerfeld zusammenfasst.
Was beschäftigt Jugendliche in Wuppertal? Was schätzen sie an der Stadt? Was brauchen sie, um ihre Träume zu realisieren? Das waren nur einige der Fragen, die Gala Moody und Michael Carter den Schülern stellten. Herausgekommen ist eine 12,5 Minuten lange Film-Collage, die zeigt, welche Bedürfnisse junge Menschen im Alter von 16 bis 20 Jahren haben. Das Projekt wurde aufgrund der Corona-Pandemie zum größten Teil digital realisiert. „Wir haben zu 95 Prozent online gearbeitet“, sagt der gebürtige Australier Michael Carter im Skype-Interview. Fragen und Antworten wurden per WhatsApp-Chat ausgetauscht, auf Deutsch und auf Englisch. Das war für die beiden eine große Herausforderung, weil sie die Schüler nicht kannten.
Zwischen Anpassung und dem Wunsch nach Veränderung
„Zwei Wochen sind sehr kurz für ein solches Projekt, aber wir wollten fähig sein, mit den Jugendlichen über Utopia zu sprechen“, sagt Gala Moody. Um eine Basis zu haben, stellen die beiden Projektleiter zunächst Fragen zur Person und was sie an Wuppertal schätzen. „Dann sind wir langsam dazu übergegangen zu fragen, was sie nicht an Wuppertal mögen und was sie gerne ändern würden“, sagt Moody. Das seien sehr subjektive Ansätze gewesen, da die Schüler verschiedene sozio-ökonomische Hintergründe hätten. „Für die Jugendlichen ist es häufig eine Herausforderung sich anzupassen, als dass sie die Umgebung so verändern, damit sie zu dem passt, was sie selbst gerne im Leben machen würden“, sagt Carter. Die Künstler wollten den Jugendlichen dem Projekt quasi das Mandat geben, um vielleicht eine Veränderung herbeizuführen.
Rassismus sei
ein Riesenthema
„Wir haben teilgenommen, ohne viel zu wissen“, sagt Christiane Schröder, Lehrerin des Musikkurses der EF-Stufe an der Gesamtschule Langerfeld. Am Anfang seien die Schüler mit einer Aufgabe pro Tag überfordert gewesen. Dann hätte sich aber ein Tempo eingestellt, das besser gepasst hätte. Anhand von Aufgaben wie „Stell dir vor es ist 2030“ entwarfen die Schüler eine ganz persönliche Utopie, die sie als Audio oder Video an die beiden Künstler schickten. „In den Filmen haben sie erzählt, was sie sich erträumen“, sagt Schröder. Die Vorstellungen reichten von persönlichen Wünschen nach einer eigenen Familie und einem Auto über mehr kulturelles Leben in der Stadt bis hin zum Weltfrieden.
„Insgesamt war das sehr spannend, auch für die Schüler“, sagt Schröder. „Es war nicht nur schulisches Lernen gefragt, sondern es interessierte sich auch jemand für ihre Wünsche und Träume.“ Um ihre zukünftigen Ziele und Perspektiven anzugehen, sei es wichtig, Fragen zu reflektieren wie „Wo ist mein Zuhause?“, „Wo positioniere ich mich in dem Ganzen“, „Welche Perspektiven gibt es und was ist dafür notwendig?“
Viele Schüler, die am Projekt teilgenommen haben, haben einen Migrationshintergrund. Deshalb sei das Thema Rassismus ein Riesenthema, sagt Schröder. Das Wissen, dass ihnen zugehört werde, mache Mut. „Ein Schüler sagte: ‚Wir sagen, was wir wollen. Die, die uns hören, können es auch ein Stück vorantreiben.‘“, so Schröder. In Kleingruppen erarbeiteten die Schüler, wie das Pina Bausch Zentrum aussehen soll. Die Schüler waren sich einig: das Zentrum soll ein Ort für alle Kulturen sein. Eine Gruppe rollte sogar einen roten Teppich für Besucher jeden Alters und Hautfarbe aus, eine andere Gruppe plante einen Biogarten in das Zentrum.
Die Erfahrung, mit den Schülern zusammenzuarbeiten, war für Gala Moody und Michael Carter bereichernd. „Wenn Sie als Künstler arbeiten, laufen Sie Gefahr, in einer liberalen Blase zu leben“, sagt Moody. Es sei wertvoll, die Welt durch die Augen eines jungen Erwachsenen zu sehen. „Es ist kein einfacher Platz für sie“, stellt sie fest. Die Künstler mussten zum Beispiel verstehen lernen, dass die Schüler wegen Klausuren und langer Schultage unter Druck stehen. Als das geklärt war, konnten die beiden ihnen vermitteln, dass das Projekt „eine Erfahrung sein soll und es nicht perfekt sein muss“, so Moody.