AscheMOND oder The Fairy Queen AscheMOND: Eine Oper voller Intensität und Stärke

„Aschemond oder The Fairy Queen“ wurde bei der Premiere erstklassig in Szene gesetzt.

Foto: Wil van Iersel

Wuppertal. „Es ist fast Weltrekord hier, was da gerade passiert“, erläuterte Regisseur Claus Guth kurz vor der Uraufführung der Oper „Aschemond oder The Fairy Queen“ am Schillertheater in Berlin im Sommer 2013 in einem Interview. Damit meinte er die immensen Anforderungen, die für die Umsetzung dieses Musiktheaterstücks aus der Feder von Helmut Oehring zwingend notwendig sind: Zwei Dirigenten und zwei Orchester, die teilweise gleichzeitig spielen. Hinzu kommen unabhängig von den Klangkörpern agierende Instrumentalsolisten, elektronische Zuspiele und eine komplexe Verstärkung aller Instrumente, aller Sänger und eines Chores. Er wird außerdem aus dem Off zugespielt und ist auch auf der Bühne. Guth dazu: „Das zu koordinieren ist ungefähr so, wie Verkehrspolizist in New York zu sein, wenn alle Ampeln ausgefallen sind“.

Daran hat sich nichts geändert, seit dieses Werk in einer überarbeiteten Fassung nun im Wuppertaler Opernhaus seine Teiluraufführung erfährt. Die hohe musikalische Komplexität reichte Oehring aber nicht. Er hat nämlich keine Handlung erdacht. Es wird keine stringente Geschichte erzählt. Das Libretto von Stefanie Wörtmann besteht aus Textcollagen von William Shakespeare, Heinrich Heine, Adalbert Stifter und Oehring selbst.

AscheMOND - Bilder zur Opernpremiere
8 Bilder

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Regisseure stehen also vor einer riesigen Herausforderung, diese literarische Montage in Szene zu setzen. In Wuppertal entscheidet sich Immo Karaman für eine Bahnhofswartehalle (Aida Guardia), die im Schlussteil zu einem nach allen Seiten offenen schwarzen Raum inklusive einem großen runden Loch mit einem Blick ins tiefe Schwarz mutiert.

Menschen in ockerbrauner Kleidung (Fabian Posca) kommen und gehen. Während des Berufsverkehrs ist sie brechend voll. Ansonsten fristen wenige Wartende ihr Dasein. Ein Psychotrip nach dem anderen geschieht dort vom Prolog über die drei Jahreszeiten Sommer, Herbst und Winter bis zum Epilog. Surreal erscheinen die Geister der Nacht, Feen greifen ein. Unerbittlich dreht sich die Bahnhofsuhr, die Zeit rinnt schnell dahin. Permanent wird die Sonnenfinsternis als Metapher auf die Deckung von Mann und Frau vor Augen geführt, die nichts Gutes verheißt. Es geschehen Verquickungen von rätselhaften, realen, grotesken Momenten, Ausdruck eines Schwebezustands zwischen Leben und Tod, Diesseits und Jenseits.

Diese diffuse Materie wird stimmlich und darstellerisch erstklassig in Szene gesetzt. Sicher singen die sieben Gesangssolisten ebenso die über 300 Jahren alten Weisen aus Henry Purcells Semi-Oper „The Fairy-Queen“ wie die anspruchsvollen Tonfolgen Oehrings. An spielerischer Intensität und packender gesanglicher Ausdrucksstärke steht ihnen der Chor und Extrachor der Wuppertaler Bühnen (Einstudierung: Markus Baisch) in nichts nach. Hinzu kommt Gebärden-Solistin Kassandra Wedel, die für weitere spannende Gestaltungsschichten sorgt.

Jonathan Stockhammer sorgt erstklassig dafür, dass sich die nicht minder vielschichtige Musik von der Bühne, aus dem Orchestergraben und aus den Lautsprechern ausgewogen im Auditorium verteilt. Und die Musiker des geteilten Sinfonieorchesters Wuppertal mit Michael Cook als Verantwortlichem für die Barockmusik sowie die beiden Instrumentalsolisten spielen mit festem Zugriff auf.

Von „Alle Leben enden, alle Herzen brechen. Immer“ zu Beginn bis „Und ist der Tod erst tot, dann gibt es kein Sterben mehr“ ganz zum Schluss zeigt sich trotz fehlenden konkreten Inhalts ein roter Faden. Nur besteht er aus reiner Emotion, voll an Melancholie, Perspektivlosigkeit und Depression. Das Premierenpublikum zeigt sich gegenüber dieser avantgardistischen Oper aufgeschlossen und zollt allen Beteiligten, dem Regieteam und dem Komponisten langanhaltenden Beifall.