Botho Strauß: Nicht ausübender Gesellschaftsmensch
Der Dramatiker Botho Strauß gilt als einer der wichtigsten und zugleich umstrittensten zeitgenössischen Schriftsteller.
Düsseldorf. Den großen Roman seiner Generation hat er nicht geschrieben, den ihm als junger Mann der Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki voraussagte. Sonst aber hat Botho Strauß ziemlich alles erreicht. Er ist einer der wichtigsten Dramatiker der Gegenwart. Hat sich mit „Paare, Passanten“ (1981) in die Literaturgeschichte eingeschrieben. Gehört neben Peter Handke und Volker Braun zu den wortmächtigsten deutschsprachigen Schriftstellern.
Mit dem Georg-Büchner-Preis erhielt er 1989 den bedeutendsten deutschen Literaturpreis. Das Preisgeld von damals 60 000 Mark lobte er für diejenigen aus, die Hans Henny Jahnns mehr als 2000 Seiten starken Roman „Fluss ohne Ufer“ lesen und einen Essay darüber schreiben. Gute Literatur lag ihm immer am Herzen. Heute feiert Strauß seinen 70. Geburtstag.
Auf die Welt kam er 1944 in Naumburg, wo der Vater Miteigentümer einer Pharmaziefabrik war. Nach dessen Enteignung ging die Familie Mitte der 50er Jahre in den Westen. In seinem Buch „Herkunft“, das wie auch das Gedankenbuch „Allein mit allen“ jetzt zum Jubiläum erscheint, erinnert sich Botho Strauß an die Jugend in Bad Ems: An den Vater, der zwar kein Schriftsteller, seine Tage trotzdem am Schreibtisch verbrachte, bis zum Tod vergebens vom Erfolg seines pharmakologischen Lehrbuches träumend.
An die Mutter, die 40 Jahre die Emser Römerstraße auf und ab ging und darunter zum alten Mütterchen wurde. „Dieser Wandel verschluckt das meiste, was sonst noch Zeit bedeuten mag.“ Und er erinnert sich natürlich an die Gastspiele in den „Kursaallichtspielen“, in denen er als Heranwachsender Ernst Schröder in Brechts „Galilei“ und Elisabeth Flickenschildt in Dürrenmatts „Besuch der alten Dame“ erlebte.
Nie zuvor gewährte Botho Strauß so persönliche Einblicke. Allzu oft nahm er die ihm häufig zugeschriebene Rolle des Sonderlings an und stilisierte sein „solistisches Dasein“. In den vergangenen Jahren lebte er zurückgezogen in der Uckermark. „Ich bin ein nicht ausübender Gesellschaftsmensch“, sagte er in einem seiner handverlesenen Interviews: „Die Arbeit des Schreibens ist ein Akt der vollkommenen Exkludierung.“ Als Eremit sieht er sich dennoch nicht.
Ebenso wenig als Konservativer. „Ich kann mit dem Wort konservativ nichts anfangen, weil es als ein politisch vollkommen platter Begriff verhunzt ist.“ Er halte es da eher mit Martin Heidegger: „Man muss seine Gründe behalten, seiner Herkunft begegnen. Mit konservativ hat das nichts zu tun.“ Ihm seien Anbindungsstrategien an die Vergangenheit wichtiger als Bruch- oder Aufbruchparolen. Botho Strauß hat sich immer getraut, gegen den Strom zu denken.
Das hat ihm nicht selten Kritik eingebracht, wie 1993 nach der Publikation seines „Anschwellenden Bocksgesanges“. Mitunter neigt er zum Pathos, dann aber ist er wieder ganz modern. Mit Büchern wie „Die Nacht mit Alice, als Julia ums Haus schlich“ (2003) oder „Die Unbeholfenen“ (2007) hat er seinen Ruf als Prophet gefestigt, der nicht Müde wird, wütende Zivilisationskritik zu üben.
Überhaupt überwiegt in jüngerer Zeit die Prosa. „Das Theater hat mich inzwischen hinter sich gelassen“, konstatiert er selbst und wirkt dabei nicht übermäßig betroffen. Mit dem Regietheater kann er nichts anfangen. Mögen manche Kritiker das auch für elitär halten. „Eine Inszenierung ist gegenwärtig oft nur ein privatpsychopathisches Unternehmen, das maßgeblich von Illiteraten bestimmt wird“, so Botho Strauß wie er leibt und lebt. Überhaupt akzeptiere er nichts außerhalb der Schrift: „Ich meine sogar, die Literatur besteht nur für Literaten, für literarisch tingierte Menschen.“