Coronakrise: Vollplaybacktheater verschiebt Tournee ins nächste Frühjahr „Völlig losgelöst“ – nur nicht von den Menschen im Saal
Coronakrise: Vollplaybacktheater verschiebt Tournee ins nächste Frühjahr
Die Entscheidung fiel nicht leicht – im März nicht, als der Lockdown in die junge Tournee einbrach, und jetzt nicht, da die Landesregierung verkündet hat, Großveranstaltungen bis Ende Oktober nicht zu erlauben. Die aktuelle Tournee des Vollplaybacktheaters (VPT) wird nun zum zweiten Mal verlegt, diesmal ins Frühjahr 2021. Man habe lange überlegt, so Dr. Thomas (alias Thomas Hartung), aber es mache einfach keinen Sinn und keinen Spaß, an den fast ausverkauften zirka 24 Aufführungen mit ihren im Schnitt 600 Zuschauern festzuhalten. Und Kollege David J. Becher grübelt: Nicht die Kunst sei in der Krise, sondern ihr Geschäftsmodell.
Sie wollten sich schon lange mal in den Weltraum begeben, erfüllten sich mit ihrem aktuellen Programm „Völlig losgelöst“ mit den „Helden der Galaxis“ um eine Weltraum-WG, in der Bekannte von Raumschiff Orion und Star Wars genauso auftauchen sollten wie Captain Future oder Barbarella. Absurd, trashig, kultig und vor allem lustig – wie immer. Im Herbst 2019 begann der Vorverkauf, die Leute zogen mit, etwa ein Drittel der Aufführungen war gespielt, als die Coronakrise alles stoppte. „Es war Freitag der 13. März, als wir aus dem Tourbus ausstiegen und ich direkt zur ersten Krisensitzung in Utopiastadt musste“, weist Becher, der der Organisationsgruppe des Forum:Mirke angehört, auf das „vorbelastete“ Datum hin. Erinnerungen an 2014 wurden wach, als sich der Manager des VPT mit den Vorverkaufsgeldern aus dem Staub machte. „Da waren wir schon mal kurz vor dem Aus. Jetzt geht das wieder von vorne los“, sorgt sich Dr. Thomas.
Viele Gesprächsrunden und Online-Aktivitäten, etwa bei stew.one, weiter, kann Becher nicht über Beschäftigungslosigkeit klagen. Auf die Frage, was man während der Coronakrise künstlerisch tun kann, findet er aber noch keine befriedigende Antwort. Kunst finde zwar immer ihren Weg, weil Künstler einfach künstlerisch aktiv werden müssen, aber Live-Veranstaltungen wie die des Vollplaybacktheaters, die „von 800 Leuten“ leben, „die dicht an dicht sich gegenseitig in den Nacken lachen“, seien nunmal nicht möglich. Nicht zu vergessen „die Schauspieler, die vom Rock’n’Roll auf der Bühne leben“, so Dr. Thomas. Der mit Abstand und Mundschutz kaum vorstellbar sei.
Die Schauspieler leben vom Rock’n’Roll auf der Bühne
Alle Lösungsansätze seien bislang „wirtschaftlich nicht darstellbar, ohne Förderung“. Eine größere Location erlaube zwar das Abstandhalten, vergrößere aber die Distanz zur Bühne so sehr, dass die Akteure nicht erkennbar seien. DVD-Aufnahmen wären „rechtliches Harakiri“, schrumpften die Aufführung zudem zur normalen Verfilmung, der Gag an der Sache ginge verloren. Dr. Thomas: „Wir leben nicht nur von den Eintrittsgeldern, sondern vom Spaß der Leute.“ Mit sechs Leuten in einem großen Raum zu spielen, sei alles andere als „eine Riesensause“, um die es Publikum und Ensemble ginge.
Für den Auftritt in Hannover seien 1200 Karten verkauft worden, solle man nun zwölf mal vor 100 Leuten mit Abstand und Maske spielen mit zwölf mal Unkosten? Als Tourneetheater mit Trashkulisse müsse man zwar keine laufenden Kosten bedienen, so Dr. Thomas, aber bald heiße es Jobs suchen wie alle Künstler, Caterer, Techniker. Denn ein Ende der Zitterpartie in der Veranstaltungsbranche mit ihren vielen anhängigen Jobs sei nun mal nicht absehbar.
Nun hofft das Ensemble auf das nächste Jahr, der Re-Start soll im Mai erfolgen, vorausgesetzt bis dahin sei ein Medikament gegen das Virus gefunden oder/und es gebe sehr gut eingespielte Tests, so Becher. Wenn nicht, wenn das „back to normal“ nicht funktioniere, gehe es ans Eingemachte. Stehe mit der Live-Kultur auch das VPT auf dem Prüfstand. Und das kurz vor dem 25-jährigen Bestehen im Jahr 2022. Ideen gebe es genug, die Kreativität des Teams sei groß. Eine Clubtour in kleinen Läden, ein Auftritt im Autokino. Dr. Thomas: „Die Leute in der Kultur waren die ersten, die nicht mehr arbeiten durften, und werden die letzten sein, die wieder arbeiten dürfen. Wir hoffen sehr, dass die Leute wieder fröhlich sein können.“